Wertlosigkeit von Kunst

Die ersten Gesandten der Germanen wurde durch Rom geführt. Die Kimbern und Teutonen:

Einmal führte man sie vor eines jener Meisterwerke, von denen es selbst in Rom mehr Kopien als Originale gab. Es war die marmorne Statue eines alten Hirten mit seinem Hirtenstab, sie war ein Original und ihr Wert nur mit Gold aufzuwiegen. Was zu zahlen sie dafür bereit seien, wurden sie gefragt, und einer der Barbaren sagte nach einem geringschätzigem Blick auf den versteinerten Greis: “Nicht geschenkt nähme ich ihn, selbst wenn er lebendig wäre.”1

Es ist schwer den Blick von der eigenen Dekadenz zu befreien. In Kunst spiegelt sich immer auch die Dekadenz und schwindende Lebenskraft seiner Kultur wieder.

Diese Reaktion gibt es heute noch: Ein einfacher Mensch geht in ein Museum für moderne Kunst. Dabei fragt er sich, wie man auf die Idee kommt, Müll auszustellen.

Und es steckt viel Wahrheit, nicht nur wenig, in dieser Reaktion. In meiner Schulzeit wurden Metallskulpturen in der Stadt ausgestellt. Über Nacht hat der große Bruder eines Freundes von mir Metallschrott zusammengekloppt und dazugestellt. Die Kritiker haben auch diesen Schrott bewertet — anerkennend. Kunst gelangt ständig an einen Punkt, an dem sie nicht von Schrott unterscheidbar ist. Kunst ist weitgehend Müll. In diesem Satz steckt viel und nicht wenig Wahrheit.

In Kunst steckt die Arroganz einer bourgeois gewordenen Boheme, die keine Boheme mehr ist. In Kunst steckt der allmähliche Verlust von Lebendigkeit und überschäumender Lebenskraft. In ihr steckt das Schmierentheater von Snobs und Vortäuschern. In Kunst steckt auch die Lüge, die wir Menschen uns selbst auftischen.

Hier liegt die große Schwierigkeit von Kunst. Allzu schnell kann man als Künstler vergessen, was Jung gesagt hat:

Kein Baum kann zum Himmel wachsen, wenn seine Wurzeln nicht bis in die Hölle hinabreichen.

Kunst wird zu Krebs. Zu einem kurzen egoistischen, kleingeistigen Aufflackern, dass sich selbst zu wichtig nimmt und dann mitsamt dem restlichen Körper stirbt.

In Kunst — nicht im Kunstwerk — steckt viel Wertloses.

Ergänzung zur historischen Akkuratesse der Anekdote

Die kleine Geschichte verdanken wir dem römischen Schriftsteller Plinius, und sie könnte durchaus stimmen, denn Plinius gilt als zuverlässig, doch ist es auch möglich, daß hier das Wort zu gelten hat: “Se non è vero, è ben trovator – Ist’s nicht wahr, so ist’s doch gut erfunden.” unsere Deutschtümler nahmen sie jedenfalls bierernst, paßte sie doch zu gut in das Klischee, des wacker die Kunst verachtenden Naturburschen, der den dekadenten Welschen die richtige Abfuhr erteilt.1


  1. S. Fischer-Fabian (2003 (Erstausgabe: 1975)): Die Ersten Deutschen. Über das Rätselhafte Volk der Germanen, Leck: Bastei Lübbe. S. 36. auf Amazon ansehen 

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