In diesem Video hat Jan von HabitGym einen interessanten Gedanken von Dale Carnegie vorgestellt:
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Man solle seine Freunde nicht kritisieren, wenn sie unerwünschtes Verhalten zeigen, sondern einfach durch Anerkennung belohnen, wenn sie erwünschtes Verhalten zeigen.
Jan wählt als Beispiel einen Freund, welcher immer zu spät gekommen ist. Diesen hätte er nicht dafür kritisieren sollen, sondern ihm Anerkennung durch Freude zeigen sollen, wenn er denn mal pünktlich gekommen ist.
Diesen Gedanken von Dale Carnegie halte ich für problematisch. Die Intention des Handelns, nämlich die Belohnung, richtet sich auf die eigenen Wünsche. Das Mittel ist die Konditionierung. So wie man ein Tier durch Belohnung bei erwünschtem Verhalten darauf hin konditioniert, sich gewünscht zu verhalten, versucht man einen Freund zu konditionieren.
Wenn wir die Begriffe ”Freude” und ”Anerkennung” zu Begriffen wie ”Konditionierung” umwandeln, verändert sich bereits die Empfindung gegenüber eines solchen Verhaltens. Bisher haben wir nur die Begriffe getauscht und die Empfindung verändert sich bereits durch Darstellung. Daraus können wir schließen, dass dieses Verhalten nicht unter allen Umständen gleich bewertet wird.
Das Beispiel des ständigen Verspätens ist harmloser, weil wir nicht annehmen brauchen, dass durch diese Verhaltensänderung ein Schaden für den Verspäter entsteht. Wenn wir aber mit Begriffen wie Konditionierung operieren, entsteht ein Beigeschmack von Unbehagen. Das liegt daran, dass dieser Begriff vor allem durch Tiererziehung geprägt ist. Er legt nahe, dass wir den Konditionierten entmenschlichen.
In jedem Fall steckt hinter diesem Verhalten eine egoistische Motivation. Wir wollen das Verhalten des Gegenübers schließlich nicht zu seinem Besten, sondern gemäß unserer Wünsche verändern.
Wie können wir dem Egoismus entkommen? Wir können ihn durch Egozentrismus ersetzen. Anstatt sein Verhalten zu verändern, können wir ihn informieren, dass wir keine Rücksicht mehr auf sein Verhalten nehmen. Kommt er deutlich zu spät, ohne sich abzumelden oder vorher Bescheid zu sagen, werden wir so handeln, als sei er nicht eingeplant.
Damit heben wir die Bindung auf. Wenn er sich den Regeln der Gruppe, welchen er selbst zugestimmt hat, nicht fügt, wird er wenigstens temporär ausgeschlossen. Einerseits ist dies eine viel schärfere Maßnahme und vor allem riskanter. Durch solche Reaktionen wird der Verspäter zu einer Entscheidung gezwungen, denn wenn er sein Verhalten nicht ändert, scheitern seine Absichten. Er trifft sich mit niemandem, weil keiner da ist, und die Bindung ist wenigstens temporär aufgehoben. Andererseits geben wir ihm damit die Möglichkeit sich zu entscheiden und greifen nicht durch den Versuch von Konditionierung in seine Verhaltenspräferenzen ein. Wir achten seine Autonomie.
Wir können die Begriffe noch weiter verschärfen, wenn wir annehmen, dass dieser jemand nicht weiß, dass er konditioniert wird. Wenn wir intentional und ohne Wissen des Betroffenen versuchen das Verhalten oder die Verhaltenspräferenzen zu verändern, nennt man dies Manipulation. Ich gehe davon aus, dass dieser Begriff von allen geteilt negativ bewertet wird.
Wir können an diesem Beispiel sehen, dass selbst hinter scheinbar harmlosem Verhalten Manipulation stecken kann. Bedenke: Ich habe einige Voraussetzungen eingeführt, welche Jan nicht genannt hat. Ich habe das Beispiel also spezifiziert, was heißt, dass mein Anspruch nicht so stark ist, weil er für weniger Fälle gültig sein kann.
Ich habe dieses relativ harmlose Beispiel zur Illustration gewählt, um aufzuzeigen, dass wir häufig dazu tendieren, moralische Urteile an ihren Konsequenzen zu messen. Wollen wir jedoch lernen, uns moralisch zu verhalten, müssen wir beginnen, Moralität an Intentionen zu messen.
Beispiel: Jemand überfährt ein Kind, weil er durch ein Gespräch am Handy abgelenkt ist. Er wird verurteilt, nicht nur vor dem Gericht. Er hat offenbar fahrlässig einen Menschen ums Leben gebracht.
Ein anderer Jemand hat eine witzige Unterhaltung am Handy, während er fährt. Nichts passiert.
In beiden Fällen sind die Intentionen, die Menschen und die Risiken gleich. Wollen wir beide Menschen bewerten, sollte daher unser Urteil gleich ausfallen.
In der moralischen Selbsterziehung, welche ich als Teil der Vervollkommnung betrachte, sollten wir unseren Blick immer auf uns selbst richten. Nicht auf die Konsequenzen von Entscheidungen und Handeln.
Das Gleiche gilt für die moralische Bewertung anderer Menschen, wollen wir uns eine Meinung über den Menschen bilden.