Präambel: Das ist ein Post eines Forum. In ihm formuliere ich die Antwort auf die Frage, ob alles nur Physik und bedeutungslos ist oder ob ich an einen sinnhaften Zugang zur Welt glaube. (Der Post wurde nachträglich zur Veröffentlichung etwas bereinigt)
Für mich macht es überhaupt keinen Unterschied, ob ich nun eine Seele habe oder alles nur neurologische Prozesse sind. Ich trenne nicht zwischen mir, meinem Körper, meinem Gehirn und meinem Geist. Geistigkeit ist ein anderer Zugang als der Wissenschaftliche. Das rechtfertigt erstmal keinen von beiden gegenüber dem anderen.
Ich bin deiner Meinung, dass alles, womit ich arbeiten kann, schlussendlich in mir selbst ist. Daraus schließe ich aber nicht auf das Sein. Ich trenne zwischen meinem Eindruck und dem, was ich irgendwie Realität nenne. Diese Trennung beruht auf einem Pragmatismus. Wenn alles nur in mir selbst wäre, wäre Irrtum ausgeschlossen. Weil ich mich aber schon geirrt habe, gehe ich von meiner Irrtumsmöglichkeit aus, die sich am besten durch ein bestimmtes Verhältnis von Innen (=ich) und Außen (=Welt) erklären lässt. In gewisser Weise bin ich daraus folgernd getrennt von der Welt.
So muss ich in dieser Trennung irgendwohin navigieren. Meine Triebe tun ihr ihriges um meine Handlungen zu steuern. Irgendwann muss ich auf’s Klo und der Drang zu Schlafen wird übermächtig. Nun muss man sich aber entscheiden. Entweder ist einem das genug. Dann läuft alles nur auf Glück und Strom im Glückszentrum hinaus. Wenn ich aber nicht an meinem Selbst arbeite, sehe ich mich in Konflikt mit einem Haufen anderer Werte. Ich will mich vor dem Hintergrund meiner eigenen Ansprüche von Geistlosigkeit unterscheiden. Das heißt zum Beispiel ganz konkret, dass ich kein Facebookuser bin, weil genau das erklärtes Geschäftsziel von FB ist. Ich könnte natürlich einen wie auch immer gearteten maßvollen Umgang pflegen. Ich fühle aber mein Leben mit Dingen, die mich meinen Zwecken näher bringen. Für Facebook gibt es einfach andere und viel lohnendere Alternativen.
Du siehst, dass ich schon von Zweck und Ziel spreche. Ob man sich ein solches setzt oder nicht ist Entscheidungssache. Die Konsequenzen sind aber teilweise notwendig. Wenn ich Menschen so behandle, dass sie moralische Subjekte und nicht bloß Objekte sind, muss ich ihnen zwangsläufig Verantwortung zuweisen. Dann kann ich nicht sagen “du kannst nichts dafür”, wenn die Person einfach nicht die Kraft vernünftig zu essen oder der Zigarette zu widerstehen oder sonstwas. Sobald ich jemandem psychologische (neurologische) Ursachen unterstelle, kann ich diese Person nicht mehr als moralisches Subjekt und verantwortlich behandeln. Beides zusammen geht nicht.
Deswegen sage ich Leuten, die mir sagen “aber das ist so schwer”, dass das ok ist. Das ist eben das Feedback, aber das ändert nichts an der Richtigkeit der Sache. Wenn man das nicht kann, dann muss man eben Scheitern akzeptieren und damit leben, dass man Sachen tut, die man nicht für richtig hält, weil man schwach ist. Ich habe mich dagegen entschieden aus Schwäche zu handeln. Schwäche ist an sich schlecht und deswegen akzeptiere ich nicht, dass sie vorliegt, in dem Sinne, dass ich mich damit abfinde. Wenn ich eine Schwäche identifiziere, dann arbeite ich daran. Je nachdem welche Priorität das hat mehr oder weniger intensiv.
Als Gegenmodell habe ich immer die unzufriedenen Frauen vor Augen, die mir vorheulen, dass sie zu dick, zu dünn, zu unfit oder sonstwas sind, aber mir dann im gleichen Atemzug sagen, dass sie nicht auf Keckse, ihre sozialisierten Schönheitsideale oder ihre durchsoffenen Wochenende verzichten können. Ich will in keiner Welt aus Zombies leben. Deswegen behandle ich entsprechende Personen nicht als vollwertige Menschen, sie haben eben ihr Defizit im Wert, den ich moralische Störung nenne.
Wenn man meine Biographie auseinander nimmt, findet man mit Sicherheit Ursachen für mein Denken. Mein weist meinen Eltern bestimmte Rollen zu und irgendwelchen körperlichen Defiziten auch. Ich benutze aber das, was ich Bewusstsein nenne, um mir meine Zwecke selbst zu setzen. Das ist mein Zugang zu meinem Leben, der sich natürlich von dem eines Biographen unterscheidet. So siehst du: Ich komme aus einer anderen Richtung in ziemliche Nähe deines Standpunktes. Bedeutung, Sinn und Einheit sind Sachverhalte, die für mich nicht nur wichtig sind. Sie sind notwendig aus meiner Entscheidung mein Leben in der mir eigenen Art zu führen erwachsen und damit kann ich nicht anders als sie als Teil meiner Realität zu sehen.
So funktioniert mein Zugang zur Philosophie. Ich setze nicht die Axiome irgendwelcher Werte- und Bedeutungssysteme fest. Ich identifiziere begriffliche Notwendigkeiten und Unmöglichkeiten. Hier sind dann die Entscheidungspunkte. Will ich das eine, muss ich sowohl seine Zwänge als auch das Ausgeschlossene annehmen. Wenn man das nicht macht, ist man in sich widersprüchlich. Das wiederum ist für mich eine ganz klare Entscheidung. Widersprüche sind immer scheiße. Sie fühlen sich an, als sei man nicht vollständig und vielmehr abgetrennt von dem, was man sein Selbst nennt.