“Alle Wesen bisher schufen etwas über sich hinaus: und ihr wollt die Ebbe dieser großen Flut sein und lieber noch zum Tiere zurückgehn, als den Menschen überwinden?” Friedrich Nietzsche
Was schaffst du über dich hinaus?
Jeden Tag grimmig entgegenblicken und sich fragen: “Was überwinde ich heute?” Diese Unschuld haben wir verloren. Wir fragen uns vielmehr, wie wir den anderen Gefallen können. Unsere Weiber bemalen sich wie Clowns, machen sich zum Gespött in der Manege und zittern vor dem Zirkusdirektor Heino Klumpen. Mager und schwach schleppen sie sich über den Sand der Manege. Grazil schweben sollen sie, doch hungrig können sie nur noch hinken. Ein Gelächter und eine schmerzliche Scham sind sie und werden als solches sogar erkannt! Und trotzdem: die Weiber auf der Tribüne verwechseln die Mitte mit Mittelpunkt und streben selbst noch an Hunger zu leiden!
Was wollen die Zirkusdirektoren? Sie wollen volle Zelte. Gleich ist es ihnen, ob man aus Bewunderung oder Belustigung in die Manege gafft. Jede Ausrede ist ihnen Recht, die sich das Publikum zurechtlegt. Im Zelt ist im Zelt.
Ich sehe wütend, wie das Zelt unaufhörlich wächst. Jeder neue Clown in der Manege, jedes zerbrochene Weib, das sich die rote Nase ins Gesicht setzt, weil es nicht mehr den Weg aus dem Zirkus findet, lässt den gerechten Zorn wachsen.
Sie müssen es nicht werden um es zu wollen. Sie müssen es nicht wissen um es zu tun. Das Weib ist sich selbst nicht der Wolf. Es ist sich selbst der Direktor, sich selbst die Manege, sich selbst das Publikum. Und wenn es dort angekommen ist, dann belohnen wir sie. Wir Direktoren, wir Gaffer, wir Schweine. “Fein, dass du dein Selbst aufgibst. Dich selbst verkleinerst und vermauerst. Fein, dass du zu uns kommst als Gelächter und peinliche Scham.“
Wer sich selbst schwach macht. Wer sich selbst verkleinert. Der soll sich seiner Schwäche und Mangel an Lebenssinn nicht wundern.
Weib, du gehst zurück. Wo du Stärke stärke wünschst, wunderst du dich über deine Schwäche. Wo du dir Respekt wünschst, trägst du die Clownsfratze. Wo du dir ein Selbst wünschst, fühlst du Hunger.
Und dann fragst du dich, warum du nur Rückwärtsgänger in dein Bett lockst?
Schäme dich, Weib!
Es ist als ob man (in diesem Fall die anderen Direktoren, Zeltbesucher = die Gesellschaft) jemanden zu Boden schlägt und tritt, um ihm dann noch ein paar Tritte zu verpassen, während man ihn verhöhnt, dafür dass er am Boden liegt und sich vor Schmerzen windet. Der Ausruf, die darin enthaltene Klage “Schäm dich” fällt ihn der selben Kategorie.
Sehr viel sinniger wäre dieser Person, die da am Boden liegt, die keine Kraft mehr hat, verletzt und gedemütigt wurde und wird – ihr Mut zuzusprechen, sie mit Courage einflößtenden, bestärkenden Worte zu beflügeln; ihr erneuten Auftrieb zu geben, ihr zu zeigen und zu berichten, wie sie sich vom Peiniger soweit befreit, als dass sie erneut in einen sicheren Stand kommt, wieder sich selbst findet und ihren Boden zurückerobert. Draufhauen und rumkritisieren kann jeder.
Niemand braucht weitere Haue und Verachtungen, und seien sie noch so gut gemeint – “Schäm dich…” , der Ausruf ist meiner Meinung nach unglücklich gewählt, erst recht im obigen Kontext.
“Wer sich selbst schwach -machen lässt-. Wer sich selbst -verkleinern lässt-“, wurde überwältigt und verdient eine helfende Hand und zusprechende, machtvolle Worte, um wieder stark zu werden und sich aufrecht und gerade zu richten.
Danke für deinen Post, aber ich sehe da Lücken in deiner Überlegung: Du scheinst von der Maxime auszugehen, dass man jemanden der am Boden liegt, aufhilft. Oder noch anders: Du scheinst von einem Gebot der Güte auszugehen. Dieses Gebot akzeptiere ich nicht. Zumindest nicht ohne eine Begründung. Aus Schwäche alleine verdient niemand eine helfende Hand. Das ist genauso begründungsbedürftig wie alles andere auch.
Desweiteren habe ich ausdrücklich geschrieben, dass ich nicht therapieren will. Am Anfang steht natürlicher Weise die Diagnose, was in diesem Fall Kritik genannt wird. Dass ich das tue, was ich auch angekündigt habe, ist etwas verfrüht. Warte vielleicht noch erst die Begründung ab, weshalb ich nicht therapiere, also nicht helfe. Das ist eng verwoben mit meinem Menschenbild, das sehr stark ist. Ich weise dem Menschen sehr viel Verantwortung für sich selbst zu und denke, dass ein Mensch sehr viel mehr kann, als ihm allgemeinen zugeschrieben wird. Die Konsequenzen sind aber oft nicht angenehm. Als Hinweis sei auf das harte Bett Nietzsches verwiesen:
“Hast du aber einen leidenden Freund, so sei seinem Leiden eine Ruhestätte, doch gleichsam ein hartes Bett, ein Feldbett: so wirst du ihm am besten nützen.” Friedrich Nietzsche – Also Sprach Zarathustra
Was es damit auf sich hat, werde ich noch erläutern.
Niemand verlang von dir zu heilen, wenn du das nicht möchtest. Aber es ist meiner Meinung nach nicht angebracht, auf jene, auf denen ohnehin schon eingeschlagen wird, die klein und zum Narren gehalten werden, noch mal „helfend“ einzuschlagen, von ihrer angeblichen Schande zu philosophieren ;-), weil man doch in Wirklichkeit an ihrer Stärke glaubt und ihnen mehr zutraut, als man meinen könnte und ihnen allgemeinhin zutraut. Das ist für mich Quatsch.
Und wenn du ihnen auf dieser Weise „helfen“ magst, dann „helfe“ erst den Direktoren und Zuschauern in selber, wenn nicht sogar ausschweifender Weise. Wenn du ihre Opfer mit Schande überschüttest – dann bin ich schon jetzt gespannt, was du ihren Peinigern entgegen zu setzen hast :-) gespannt bin.
Das mag dir nicht schmecken und als Geschmack ist das interessant, aber nicht als Meinung. Meinungen sind zu rechtfertigen. Und wenn ich in Frage stelle, dass Hilfebedürftigen aufgrund dieses Bedarfs schon Hilfe verdienen, dann musst du deine Position eben dagegen absichern oder du verbleibst bei einem “ich will das einfach so”. Letzteres kannst du natürlich wollen, ist aber für eine Diskussion uninteressant. Einmal erwähnen ist Geschmacksbekundung, einmal wiederholen, ist einmal zu viel.
Den Peinigern habe ich übrigens das Identische entgegenzusetzen, denn die Grundaussage ist: Selbst schuld, dass ihr da mitmacht.
da steckt noch kein Amor Fati drin :P ;)
Aber mal was anderes: Zum einen ist für einen Beobachter offensichtlich, was da läuft, der es von weitem betrachtet und nicht involviert ist. Aber wie ist es mit dem, der in der Situation steckt? Meistens ist es einfach, von außen auf etwas drauf zu blicken und darüber zu urteilen, womit man selbst nicht emotional verstrickt ist. Sobald man aber selber in Situationen steckt, in denen man weder vor noch zurück kann (man denke an Double-Binds), ist es nicht mehr so einfach.
Ich sehe da die Schwierigkeit, dass man meist auf eine gewisse Weise gelernt hat zu “lernen”. Es ist sehr schwer über den eigenen Schatten zu springen. Und ja, meist springt man genau dann über seinen eigenen Schatten, wenn man in Situationen steckt in denen man wahnsinnig werden könnte. “Was mich nicht tötet macht mich stark”. Tja, oder es tötet mich, dann bin ich tot. Es ist toll zu triumphieren, aber man wirft niemanden in die Schlacht, der nichtmal im Ansatz kampfen gelernt hat. (Gut, eigentlich weißt du das, ich hab deinen Blog noch nicht ganz gelesen, aber in diesem 3-ZonenModell das ich flüchtig gesehen hab, steckt eigentlich genau das drin, was wichtig zu beachten ist).
Es ist mit Sicherheit für jeden Menschen gut zu einem Kämpfer zu werden und sich nicht alleine auf “freundschaftliches Mitgefühl” bzw. sozialen Beistand zu vertrauen. Und dennoch gehört für mich zum Menschen auch Mitgefühl und soziales Vertrauen dazu.
(Und genau das kann ja auch nur “ausgenutzt” werden, wenn es existiert. Der Zirkusdirektor kann seinen Zirkus ja auch nur führen, weil es genug “Schwache” gibt, die ihm diese “Macht” geben. Ist natürlich die Frage, ob man auf den Zirkus nicht verzichten könnte, aber man wird die Zirkusdirektoren der Welt nicht alle eliminieren können. Ebenso wäre es aber falsch, wenn wir alle zu Zirkusdirektoren werden würden, was vielleicht automatisch passiert, sobald wir einiges an “Macht” gewonnen haben)
Ich sehe da eine große Schwierigkeit darin Position zu beziehen, denn je nachdem wo man steht profitiert man immer von der Existenz des anderen. Man muss jetzt nicht buddhistisch werden, aber Buddhismus gilt als “Weg der Mitte”. Weil sie wissen, dass alles in permanente Wechselbeziehung zueinander steht, und jedes “Extrem” das System zum kippen bringen kann.
Jedes Gift braucht das richtige Gegengift. Zweimal das gleiche Gift zu verabreichen führt blos schneller zum Tod.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich deinen Kommentar richtig verstanden habe, also korrigiere mich, falls ich von Nichtgemeintem ausgehe.
Im Grunde ist dieser Beitrag eine aufgebauschte Variante des “Stell’ dir vor, ist ist Krieg und keiner geht hin.”
Natürlich gibt es immer Situationen, Kulturen, Gesellschaften und andere Kontexte, die man berücksichtigen kann. Das sind dann aber soziale Fragestellungen. Für dieses Projekt sind diese Sichtweisen wichtig um das Zustandekommen von bestimmten Sachverhalten zu verstehen. Aber Kern meiner ganzen Philosophie ist die Zuweisung von Verantwortung für jedes Handeln.
Frauen, die bei diesem medialen Schmierentheater mitmachen, dabei geht es mir weniger um die Damen im Fernsehen als vielmehr das ganze Publikum, werden nicht dazu gezwungen. Aber sie lassen sich von den kurzfristigen Belohnungen blenden. Klar ist so ein Mädelsabend lustig, es macht Spaß sich über die Kandidaten lustig zu machen oder sich auch in ihnen wiederzuerkennen. Aber so wie alles hat das eben Konsequenzen. Ich ziehe da mal einen Vergleich zum Körper.
Es mag sicher viele nachvollziehbare Gründe geben gerade mal nicht auf seinen Körper zu achten und sich eine Schokotorte reinzuziehen. Man kann gerade eine schwere Trennung durchgemacht haben, man hatte einen schweren Tag und will sich etwas “Gutes” gönnen oder man versucht ganz einfach seine gute Laune in Handlung auszudrücken. Der Zusammenhang “Du bist, was du isst.” gilt ohne Rücksicht auf das persönliche Befinden. Deswegen muss man sich hier seiner Werte bewusst sein und gemäß danach handeln oder im ethischen Chaos untergehen.
Das versuche in diesem Beitrag auszudrücken. Man macht sich als Frau selbst kaputt und/oder schwach, wenn man bei diesem Schwachsinn mitmacht. Es gibt nachvollziehbare Gründe wie soziale Konditionierung, Gruppendruck, Pubertät, Identitätskrisen und dergleichen. Das macht die Entscheidung vielleicht sympathischer. Einem pubertierendes Mädel, dass einmal zuviel wegen ihrer Figur gemobbt wurde, nehme ich das aufgrund ihres Hintergrundes weniger übel, wenn sie die Vorteile einer neuen Schlankheit nutzt und so ihr verletztes Ego streichelt, in dem sie nach Komplimenten für ihr Aussehen sucht. Aber das ist keine Sympathiefrage und das macht ihre Entscheidung auch nicht weniger dumm.
Es fällt mir etwas schwer Anschluss an deinen Beitrag zu finden (oh, Gott. Vielleicht sogar ein Mann-Frau-Konflikt?). Deswegen greife ich einfach das heraus, was mir auffällig scheint.
1.
2.
Hier liegt die Crux. Natürlich ist es schwer. Man muss soziale Konditionierungen überwinden, gegen bestehende Konventionen handeln und so weiter. Es macht die Sache für mich aber nicht weniger schlimm, dass die meisten Menschen es nicht einmal versuchen. Das hier ist ja nur ein Beispiel. Männer sind da auch nicht besser, haben aber den Vorteil meist auf der Gewinnerseite sozialen Konditionierung zu stehen. Diesen Beitrag verstehe ich mehr als emotionalen Ausdruck, dass die Leute es schon irgendwie mitbekommen, was für ein Mist läuft, und trotzdem mitmachen, weil es der einfachere Weg ist. Der Weg des geringsten Widerstandes ist mir nicht nur unsympathisch, er steht auch völlig der Selbstvervollkommnung entgegen. Deswegen paart sich hier moralische mit emotionaler Entrüstung. :)