Pornos verhalten sich zu Sex, wie sich Fastfood zu echter Nahrung verhält. Beide übersteuern das Gehirn derart, dass wir es mit Dingen zu tun haben, welche enormes Suchtpotential haben. Daher finden wir bei Scans von Gehirnen ähnliche Veränderungen bei Drogensüchtigen, Übergewichtigen und Pornosüchtigen.
Pornos sind für die romantische Liebe eine ebenso große Herausforderung wie Fastfood für eine gute Ernährung. Kaum ein Menschen wird bestreiten, dass Pornos und Pizza eine schlechtere Wahl sind, als viel frisches Gemüse und Fisch bei Kerzenschein mit der geliebten Person.
Doch können wir so vorschnell sein und Pornographie als negatives Element der Moderne verurteilen? Dazu müssen wir uns die moderne Liebe ansehen, also Liebe, welche in unserer modernen Kultur stattfindet.
Pornographie ist nicht das einzige Vehikel, womit sich Sexualität in unser Leben drängt. Werbung ist sexualisiert. Während wir früher als Jäger und Sammler die immer gleichen Frauen sahen, sehen wir heute immer wieder neue per Bildbearbeitungsprogramm optimierte Frauen. Das gaukelt dem Gehirn eine enorme Auswahl vor. Doch diese Auswahl ist nicht einmal ein Fehlschluss. Riesige Städte, Discos und Clubs, Partnerbörsen und Social Media, noch nie hatten wir eine so große Auswahl von Partnern wie heute.
In einem nomadisch lebenden Clan im Dschungel oder auch in einem kleinen Dorf ist es möglich eine Partnerwahl zu treffen und nie wieder mit einer Überprüfung der Wahl konfrontiert zu werden. Wenn man die Dorfschönheit geheiratet hat, dann hat man die schönste Frau geheiratet. Hat man den stärksten Kämpfer für sich erobert, dann hat man den Helden seiner Generation zum Mann.
Das moderne Leben ist Risiko und Chance zugleich. Während man riskiert niemals glücklich in einer stabilen Partnerschaft zu leben, kann man jedoch eine schlechte Wahl viel problemloser revidieren und kann aus einem viel größeren Pool von Möglichkeiten schöpfen. Sexualität spielt dabei eine ganz entscheidende Rolle zur Stabilisierung von Partnerschaft. Doch wenn Discos, das moderne Partyleben und die sozialen Netzwerke immer wieder neue Partner in Aussicht stellen, ist der Reiz des Neuen groß und die Partnerschaft in dauernder Gefahr. Darauf kann man entweder mit Entwertung der Partnerschaft oder mit erhöhter Eifersucht reagieren.
Doch wenn Sexualität kein knappes Gut mehr ist, dann ergibt sich daraus die Möglichkeit sich aus anderen Gründen für eine Partnerschaft zu entscheiden. Wenn es keine sexuelle Knappheit und damit auch keine sexuelle Abhängigkeit gibt, dann ist die Beschränkung der Sexualität auf einen Partner eine besondere Leistung. Wenn es kein Fastfood gäbe, sondern nur gesunde Nahrung, wäre gesunde Ernährung ebenfalls keine besondere Leistung.
Erst durch die Möglichkeit des Scheiterns kann sich Tugend überhaupt zeigen. Tugenden sind diejenigen Charaktereigenschaften, die es einem Selbst wahrscheinlicher machen Widerstände zu überwinden. Widerstände sind diejenigen Sachverhalte in der Welt, die die Vervollkommnung des Selbst einschränken oder verhindern.
Wenn die Liebe als höchste Form der Intimität zu einem vollkommenen Leben dazugehört, sind Pornos und die hochgradig sexualisierte Gesellschaft der Moderne die Möglichkeit, sich als Liebender zu beweisen.
Ein Problem ergibt sich in Moderne immer dann, wenn man sich mit dieser Herausforderung nicht auseinandersetzt.
Wer sich nicht in sexueller Freiheit wähnt, wird sich in eine sexuelle Abhängigkeit begeben. Weil die Sexualisierung der Gesellschaft den modernen Wert von Sex nicht für denjenigen relativieren konnte, spielt Sex und körperliche Anziehung eine riesige Rolle. Andere Aspekte von Partnerschaft, wie etwa ein gemeinsames Verständnis von Moral, können nicht den gleichen Stellenwert annehmen. So kann es durchaus sein, dass man unglaublich viel in einer Partnerschaft in Kauf nimmt, weil Sexualität in seinem unmodernen Wert diese Probleme aufwiegt. Als Partner in einer solchen Beziehung fragt man sich dann, warum man eigentlich mit der Person zusammen ist. Es scheint eine unerklärliche Bindung zu bestehen, welche aufzulösen sehr schwierig ist, obwohl vielleicht alle anderen Bereiche einen offensichtlich schädlichen Einfluss haben.
Dies gilt freilich nicht nur für Sexualität als stabilisierendes Element, sondern für jede Abhängigkeit und äußere Unfreiheit in einer Beziehung.
Wer allerdings glaubt, dass Partnerschaft für ein gutes Leben unwichtig ist, verliert alle positiven Elemente einer Partnerschaft, insbesondere der romantischen Liebe. Liebe als höchste Form von Intimität erlaubt es einem, als ganzer Menschen ohne Vorbehalte einfach nur zu sein. Es ist ein großes Bedürfnis eines Menschen, als derjenige erkannt zu werden, der man wirklich ist. Das ist nur in ganz besonders intimen Bindungen möglich, denn ist eine Beziehung nicht intim, spielt der Mensch nicht als Ganzes eine Rolle. Das ist eines der Konsequenzen aus dem Bedarf von sozialen Rollen. Als Vater spielt die Sexualität keine Rolle, als Geschäftspartner ist man kein Freund, als Freund ist man kein Liebhaber.
Dieses Einssein kann man freilich auch in Form von Meditation, wenigstens dem Anspruch nach, erleben. Das ist das Ziel des Buddhismus, doch auch hier fehlt etwas, dass nur in einer intimen Beziehung zu einem anderen Menschen möglich ist: Das Einssein in den Augen eines anderen.
Vervollkommnung ist nicht beliebig. Wir müssen mit den Karten spielen, welche uns ausgeteilt wurden. Wer das liest, ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Mensch und als dieser bist du ein soziales Lebewesen. Es gibt ein soziales Bedürfnis und wenn du diesem zuwider läufst, begibst du dich in einen Widerspruch zu diesem Bedürfnis. Es kann sein, dass eine Abkehr von diesem Bedürfnis für bestimmte Menschen die widerspruchsfreieste Lösung ist. Doch für die meisten Menschen wird dies wahrscheinlich nicht gelten.
Die romantische Liebe ist demnach ein sehr wahrscheinliches Element des guten Lebens. Das ist nicht garantiert, doch sollte jeder abwägen, ob er die romantische Liebe aufgibt. Ich halte es für unplausibel, denn dann verarmt das soziale Leben auf die gleiche Weise, wie auch der Körper verödet, wenn man sich nur noch von Fastfood ernährt.