In diesem Beitrag schildert eine Dame ein paar Momente und Eindrücke ihrer Affaire. Sie ist die Geliebte und er ist ein Ehemann.
Wir können hier sehr eindrückliche Beispiele einer Egozentrik beobachten, welche sich als Egoismus äußert.
Fremde Intimität verhindert eigene Intimität
Sie ist die Geliebte. Das heißt, dass sie in das Eheversprechen zweier anderer Menschen eindringt. Wenn der Ehemann mit seiner Geliebten ein Verhältnis aufbaut, in welchem sie sich über persönliche Angelegenheiten austauschen, ist es sehr wahrscheinlich, dass sie auch über seine Ehe sprechen. Sie gehört schließlich zum Leben von 50% der Beteiligten der Affäre.
Da sie es mit einem Mann zu tun hat, der sein Wort gegenüber seiner Frau nicht einhält, ist Charakterschwäche wahrscheinlicher. Wenn er Probleme hat, wird er sie mit einer größeren Wahrscheinlichkeit auf sie abladen.
So erzählt er ihr von den Problemen innerhalb seiner Ehe. Genauer: Den Problemen der Kinderzeugung.
Und es ist mehr als merkwürdig, dass er das bei mir loswerden möchte. Denn er sitzt in meiner Küche, um die Nacht mit mir zu verbringen.
So merkwürdig scheint das vor dem von mir geschilderten Hintergrund nicht. Er verwendet sie als Kummerkasten.
ER:„Ich weiß gar nicht, ob ich das will. Wir lassen es gerade drauf ankommen.“
Er zeigt Unentschlossenheit und lädt die Probleme seiner Ehe in deren Affaire. Ihre Reaktion ist natürlicherweise ungehalten:
„Sag mal hast du sie noch alle?“
Doch er sieht seinen Vorteil und begründet sein Verhalten damit. “Es tut mir doch gut.” Wir sehen hier einfachen Egoismus.
ER: „Ja, ich weiß, dass ich das gerade dir erzähle. Aber wir kennen uns schon so lange. Du verstehst mich. Mit dir kann ich über alles reden.“
Sie lässt sich darauf ein, stellt fest, dass der Mann mit dem sie eine Affaire hat, charakterschwach ist:
„Darum geht’s überhaupt nicht.“ Ich bin lauter als ich will. „Du kannst doch nicht einfach mal so dein Sperma verteilen und dann gucken, ob’s klappt oder nicht. Ein Kind ist doch kein Spielzeug. Das ist eine lebenslange Verantwortung. Und wenn du deine Frau laufend betrügst – warum willst du ein Kind mit ihr?“ Ich komme mir vor, als spreche ich mit einem 18-Jährigen und nicht mit einem 40-Jährigen. Moralapostel zu spielen, ist nicht mein Ding, aber so viel Gedankenlosigkeit macht mich wütend.
Sie ist wirklich wütend und teilt ihm das körpersprachlich mit.
Ich drehe mich wieder um und knete weiter, schüttle den Kopf jetzt deutlich sichtbar.
Seine Reaktion: Bindung suchen:
Er steht auf, stellt sich hinter mich und massiert mir den Nacken.
Und es wirkt. Sie lässt sich leicht ablenken:
Das beruhigt und entspannt.
Wir sehen hier die Probleme Intimität in einer Affäre zu entwickeln. Vor allem, wenn beide vor allem ihren eigenen Vorteil in dem Verhältnis suchen.
Was ist Intimität? Intimität ist der Ausschluss dritter aus dem aktuell hergestellten Beziehungsverhältnis. Das macht eine Affäre auch psychisch so belastend.
Entweder man schließt aktiv und dauernd die jeweiligen Betrogenen aus dem Verhältnis aus oder delegiert diesen Ausschluss an das Unbewusstsein, wo wir wiederum mit dem ganz eigenen Problem der psychischen Abwehrmechanismen umgehen müssen.
Eine Affäre bedeutet eine Gefahr für die Fähigkeit wirkliche Intimität zu entwickeln. In mehreren Welten parallel zu existieren gefährdet die Authentizität. Man muss seine Stimmung schnell ändern und schnell zwischen verschiedenen sozialen Regeln wechseln. Man denke daran mit dem Partner zu telefonieren, während man bei der Affäre ist.
Dieses emotionale Multitasking führt zur einer Rationalisierung der Emotionen.
Willensstärke ist endlich
Einerseits schreibt sie, dass sie sich nicht auf ihn einlassen wollte.
Vor dem ersten Mal als Verheirateter buhlte er mehr als zwei Jahre. Wir hatten längst wieder Kontakt, zumindest sporadisch. Als er mitbekam, dass ich mich getrennt hatte, fragte er, ob wir uns sehen und an die alten Zeiten anknüpfen könnten. Das sei doch immer so gut gewesen. „Bist du nicht mehr verheiratet?“ „Doch, aber das macht doch nichts.“ „Dir oder ihr?“ Die Antwort blieb er schuldig. Wir trafen uns, sobald er in meiner Stadt war. Aber ich kam nie mit in sein Hotel und lud ihn nie zu mir nach Hause ein. Wenn er zum Kuss ansetze, drehte ich meinen Kopf weg. Meine Körbe waren eindeutig.
Waren ihre Körbe wirklich so eindeutig? Zwar hat sie sich nicht auf sehr direkte Weise eingelassen, doch sie hat sich immer wieder in eine Situation begeben, in welcher beide um seine Absichten und Pläne wussten.
Sie befindet sich hier in einem Widerspruch und den wird sie lösen. Nicht auf rationale Weise, sondern auf rationalisierende Weise.
Er ließ nicht locker. Das schmeichelte mir, aber es entsetzte mich auch. Ich ließ es ihm nur durchgehen, weil wir uns schon so lange kennen – und weil es gut tut, dass sich jemand interessiert, auch wenn mir stets klar war, dass es ihm vorrangig um Sex geht.
Das markierte sticht heraus. Beide suchen danach eine Lücke in ihrem Leben zu füllen. Affären sind meistens Produkt sich überschneidenden Egoismus. Deswegen führen Affären nur in den seltensten Fällen zu einem positiven Ende für beide Beteiligten. (Ganz zu schweigen von dem oder der Betrogenen)
Diese Form des Abwehrmechanismus nennt Freud Rationalisierung.
Mir lag zu viel an ihm, um den Kontakt abzubrechen. Undenkbar war und ist es für mich, mit ihm eine Affäre anzufangen – oder gar mehr. Dass er seine Frau verlässt, steht überhaupt nicht zur Debatte.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass das Verdrängte bald wieder die Oberfläche durchbricht:
Trotzdem warf ich irgendwann meine Bedenken über den Haufen.
Um diese Handlung zu rechtfertigen, gibt sie die Verantwortung ab, um sich nicht schuldig zu fühlen. Entweder übernimmt sie Verantwortung oder sie hat ein reines Gewissen. Verantwortung ist Schuld und wenn wir sie abgeben, verlässt uns auch das Schuldgefühl.
Ein schlechtes Gewissen seiner Frau gegenüber hatte ich nie. Ich bin nicht die einzige, was es nicht besser macht, aber ich trage nicht die Verantwortung für ihn und seine Entscheidung.
So löscht sie die Verantwortung für ihr Handeln aus. Für sein Handeln kann sie selbstverständlich nicht verantwortlich sein, doch für ihr Eigenes? Sie ist notwendig verantwortlich für ihr eigenes Handeln und sie nimmt in Kauf eine Frau zu sein, die betrügt. Sie nimmt ihre eigenen Bedürfnisse als Geliebte auf Kosten der Bedürfnisse der Ehefrau wahr. Damit entscheidet sie sich für eigenes Wohl und fremdes Leiden.
Die Situation bringt sie weiter in Widersprüche:
„Ich fände es schön, wenn du bleibst“, sagte er. Ich guckte ihn ungläubig an. „Du willst morgen neben mir aufwachen?“ „Ja, und ich würde gern, dass wir das jetzt ein Mal im Jahr machen.“ Mein ungläubiger Blick veränderte sich nicht. Ich schüttelte den Kopf. „Für die Einmal-im-Jahr-Gliebtenrolle eigne ich mich nicht.“ Aber ich blieb.
Tja, und jetzt hockt er das erste Mal in meiner Küche. Irgendwie fehl am Platz und gleichzeitig genau richtig.
Sie löst diese Widersprüche, indem sie den Fokus auf ihre eigenen Bedürfnisse lenkt:
Eigentlich müsste ich ihn auf dem Sofa übernachten lassen. Gleichzeitig tut es so gut, dass mich jemand in den Arm nimmt, mir den Nacken krault, fragt und zuhört, erzählt und lacht, in alten Zeiten schwelgt und einfach da ist.
Hier finden wir wieder, was ihre Lage noch einmal abbildet. Sie bringt sich in eine Situation, das eintritt, dass sie anfänglich als ungünstig bewertet. Das bringt sie in einen Widerspruch, den sie durch Egoismus und Fokussierung auf ihre eigenen Bedürfnisse löst. Sie blendet die eine Seite des Widerspruchs einfach aus:
Aus dem Kuscheln wird Küssen, daraus ein leidenschaftlicher Kuss. Und die Idee mit dem Sofa kommt mir plötzlich dämlich vor.
So gerne kann sie ihn eigentlich nicht haben:
Am nächsten Morgen lasse ich ihn in meinem Bett zurück, fahre zur Arbeit. Sein Gewissen ist mir immer noch egal.
Eigentlich ist er ihr egal. Es bietet ihr das Angenehme, dass sie sucht, während er nur Träger ist. Er ist Mittel zum Zweck.
Wir können hier zwei Dinge sehen:
- Wir bezahlen den Preis, auf die eine oder andere Weise. Wer in die Intimität eines anderen Paares eindringt, trägt auch immer ernsthafte Konsequenzen für die eigene Psyche und auch das Glück anderer Menschen.
- Widersprüche können zwischen langfristigen und kurzfristigen Zielen bestehen. Rationalisierungen können diese Widersprüche auf Kosten der psychischen Gesundheit und der moralischen Integrität lösen.
Wir erleben hier einen Konflikt zwischen dem Wunsch jemand zu sein und der tatsächlichen Beschaffenheit des Selbst. Letzteres setzt sich immer durch. Hier: Ein egoistisches Selbst. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern aus Einsamkeit und Schwäche.