Das Paradox der mechanisierten Liebe

Romantik ist ein kulturell vermitteltes Skript, dass Liebe garantieren soll.

Wir können uns selbstverständlich und ziemlich voraussetzungsarm verlieben, denn das Gefühl basiert auf einem der primitivsten und damit mächtigsten Programme: die Fortpflanzung. Nur weil die Balz von Menschen komplizierter (zu sein scheint) ist, dürfen wir nicht glauben, dass sie einen privilegierten Status gegenüber tierischer Balz hat.

Das Skript der Romantik verschafft uns die Illusion, uns von dieser Primitivität zu lösen, während es garantieren soll, dass unsere nichtprimitive Idee von Liebe realisiert wird. Romantik darf nicht reine Fleischeslust sein und muss zugleich einzigartig und undurchschaubar sein.

In unserem primitiven Unbewussten wird die Angst genährt, uns nicht fortzupflanzen. Kulturell ist diese Angst als Norm zu Partnerschaft verankert: Du brauchst einen Partner, um glücklich zu sein. Mit diesen Wünschen, Begierden und Anforderungen muss man umgehen und dafür entwickeln wir Techniken: Pick-Up, Flirtratgeber, Traditionen, arrangierte Ehen und Fernsehprogramme wie “Bauer sucht Frau”.

Damit ist klar: Wir leben in einem Paradox, denn wir wollen Liebe durch Methode garantieren, während Liebe unsicher, unverstanden und unkontrollierbar sein soll.

Ich nenne das: Das Paradox der mechanisierten Liebe.

Leben ist Tod und Tod ist Leben

Tod ist etwas, das unweigerlich zum Leben dazugehört. Wenn wir in der Moderne mit dem Tod konfrontiert werden, denken wir, dass dies etwas Ungewöhnliches, eine Extremsituation ist. Doch eigentlich ist es eine Normalität, die wir vergessen haben, weil wir vergessen haben, was Leben bedeutet: Auch den Tod.

Einen Tod zu bezeugen, einen geliebten oder auch verhassten Menschen zu verlieren ist nichts Besonderes und sollte uns berühren aber nicht zerstören.

Widerstandskraft macht glücklich durch Freiheit

Mit einer hohen Widerstandskraft hat man in vielfältigen Situationen genügend psychische Energie, um sich noch auf den Moment und das glücklich sein zu konzentrieren.

Hat man diese hohe Widerstandskraft nicht, erfährt man Unfreiheit und muss sein Glück woanders suchen und zwar dort, wo die Schwäche, die er erfahren hat, keine Rolle spielt.1

Beispiel:

Zwei junge Männer gehen im Winter angeln. Während dem einen schnell kalt wird, hat der andere sich durch Kältetraining abgehärtet. Schnell holt der Frierende beiden eine heiße Tasse Kaffee. Doch das hilft nicht. Während er in die warme Hütte geht, bleibt der andere noch lange nach Sonnenuntergang draußen und genießt die Natur.

Der Widerstandsfähige lernt, dass er stark ist. Er kann sich auf seinen Körper und auf sich selbst verlassen. Außerdem kann er sein Leben auf vielfältige Weise genießen.

Dem Schwachen wird der Spiegel vorgehalten. Er lernt, dass er zerbrechlich ist. Auf seinen Körper und sich selbst kann er sich nicht verlassen. Er braucht fremde Hilfe. Er kann nur die warme Hütte genießen. Die raue Natur und die kalten Winter bleiben ihm verschlossen.

Selbstwert muss verdient werden.


  1. Inspiriert durch Nick S. 

Zen hat kein Monopol

In deinem Artikel Tree Climbing schreibt Joseph Bartz, dass die Natur keine Einheitlichkeit, sondern Einzigartigkeit hervorbringt.

Gerade Natur zeichnet sich durch ihre Einheitlichkeit aus, die aus zwei Prinzipien entsteht:

  1. Selbstähnlichkeit.
  2. Antifragilität in Hierarchieschichten.

Von dieser Perspektive aus betrachtet ergibt sich auch ein anderes Urteil darüber, weshalb in unserer Kultur Quantifizierbarkeit eine so große Rolle spielt: Die Illusion von Rationalität oder wie Nassim Taleb sagen würde naive Rationalität.

Einfach: Natur ist extrem einheitlich und unsere Rationalität basiert darauf Einheiten nicht zu sehen. Quantifizierungen sind Distinktionen, Natur ist Einheit in Einheit in Einheit.

Das ist eine philosophische Antwort auf das Mu Koan, die das Gleiche meint, wenn ich Berichten über dieses Rätsel glauben darf.

https://en.wikipedia.org/wiki/Mu_(negative)#The_Mu-koan

Keine Chance für Gutmenschen

Die Integrität eines Menschen ist nur dann einsehbar, wenn diese getestet wird.[73/74][#taleb2012] Wir können die verschärfen, indem wir sagen: Integrität ist eine Eigenschaft, die sich erst im Erfolg abzeichnet. Ist die moralische Haltung eines Menschen nicht getestet, existiert ihre Integrität nicht.

Damit haben wir eine Heuristik, um sowohl uns selbst als auch andere Menschen zu beurteilen:

Die Integrität eines Menschen, ist in etwa so stark, wie die moralischen Belastungen, der dieser Mensch ausgesetzt war.

Damit können wir auch das Gutmenschenproblem entlarven:

Gutmenschen sind Menschen, die Werte predigen, für deren Konsequenzen sie nicht einstehen müssen.

Reiche Schauspieler und A-F-Promis erzählen von der Wichtigkeit und Richtigkeit von moralischen Werten und leiten fröhlich Handlungsnormen ab, während sie nur in den wenigsten Fällen die Konsequenzen dieser Normen erleiden.

Politiker erhalten monatlich viele Tausend Euro, die sie weit in auf das Einkommensnivau sehr gut situierter Unternehmer katapultieren, garantieren sich selbst regelmäßig Erhöhungen dieser Diäten (was für ein scheinheiliges Wort!), während sich gleichzeitig dem Volk erzählen, dass man den Gürtel eben enger schnallen muss.

Ich zitiere meinen Vater:

Wenn ein Blinder von der Farbe spricht…

[#taleb2012]: Nassim Nicholas Taleb (2012): Antifragile. Things that Gain from Disorder, St. Ives: Penguin Books.

Die Drogenszene als Kanarienvogel in der Kohlemine

Wenn wir am Wochenende losgehen, heißt es irgendwo für drei Tage am Wochenende einfach loslassen, den Alltag hinter sich lassen, so sich von gesellschaftlichen Normen und Zwängen, Konventionen zu befreien, einfach auszuflippen, ein bisschen Spaß zu haben und vor allen Dingen miteinander Spaß haben. Das heißt also, ganz groß geschrieben wird Gemeinschaft, Unity nennen wir das so und ja die Aggressionslosigkeit in der Szene, das ist mit am Wichtigsten.1

Ja, ich arbeite sehr sehr viel und ich möchte halt einfach am Wochenende mich ausstanzen, mich austoben. (…) Es ist für mich da absolute entspannen. (Chefsekretärin nach eigenen Angaben)1

Am Wochenende loslassen. Wer will das nicht, wenn er den Rest der Woche mit etwas verbringt, dass in unglücklich macht? Da ist es, was hinter dem Ausspruch “Endlich Wochenende” steckt. Wie könnte man das benennen? Jochen kann uns dabei helfen.

Man muss diese beiden Sachen aber auch klipp und klar trennen können. Man muss Profi sein beim Feiern, wissen was abgeht, und man muss aber auch draußen in der Gesellschaft Profi sein, wissen, was abgeht, um nicht irgendwie eines Tages auf die Schnauze zu fallen. Und das habe ich mit professioneller Schizophrenie gedeutet.1

Love, Peace, Befreiung. Die Schlagworte alter Hippiezeiten. Die Technoszene hat sie wiederbelebt.1

Ein Hauptunterschied ist, dass letztendlich jede Jugendbewegung, die in unserer Zeit authentisch sein will, tatsächlich Abschied nehmen muss von solchen Vorstellungen, wie den finalen Heilsbotschaften. Wenn ich sage “Befreiung” beispielsweise, ist das ganz abstrakt gesagt. Ich würde nie sowas sagen wie “Die klassenlose Gesellschaft und was weiß ich was, was für eine super Sache man da aufbauen kann. Ich glaube, dass eine authentische Musikbewegung heute sowas gar nicht mehr versprechen kann. – DJ Westbam1

Während in der Hippe-Bewegung diese Worte noch ernst gemeint wurden, sind sie in der Techno-Szene der 1990er Jahr nur noch “abstrakt” gemeint. Früher hat die Jugend ihre Aufgabe zu rebellieren ernst genommen und ihre relative Narrenfreiheit genutzt, um Wirkung erzielen zu wollen. Heute geht es nur noch um ein Gefühl, dass man selbst hat. Es geht nicht mehr um andere Menschen, sondern nur um einen selbst.


  1. Roberto Capelluti and Broka Herrmann (1996): Im Techno Rausch – 60 Stunden Dauerparty. 

Von Klaus Kinski über Würde lernen

Wer mich beleidigt, entscheide ich. – Klaus Kinski1

(…) Ich staunte schon als Kind über das Maximalmaß an Selbstbestimmtheit, das damit zum Ausdruck kam. Man durfte sich offenbar die Freiheit nehmen, einen Provokateur derart tief unter der eigenen Würde zu verorten, dass seine Unverschämtheit jegliches Gewicht verlor. Man musste es nur wollen.2

Meine daraus resultierende Frage: Ist die Würde des Menschen wirklich unantastbar?


  1. http://www.imdb.com/name/nm0001428/bio 

  2. http://www.zeit.de/kultur/2016-07/deutschland-beleidigtsein-debattenkultur-empfindlichkeit-polemik 

Das Tier im Menschen

Ein alte Notiz von mir. Vielleicht sogar noch aus der Schulzeit. Kommt mir jedenfalls sehr bekannt von damals vor:

Die tierische Seite des Menschen ist nicht vollständig unterdrückbar. Deswegen muss sie als Störfaktor in die Lebensführung reimporitiert werden. Man kann eben doch nicht ganz Vernunft sein.

Eine gute Gesellschaft braucht gute Menschen

Wir beschweren uns ständig über die bösen und großen Konzerne, die uns versuchen, mit Fastfood zu vergiften und uns suggerieren, dass ihre Social Media Plattform uns nicht als Produkt verkauft. Diese Beschwerde hat einen ganz realen und vernünftigen Grund: Große Konzerne bemühen sich uns zu manipulieren und nennen das Werbung, Productplacement. Sie bemühen, sich die Wissenschaft zu manipulieren, und tarnen das als Forschungsfinanzierung. Sie bemühen sich die Politik zu manipulieren und das nennt sich Lobbyismus.

Diese Beschwerden, vor allem wenn sie öffentlich und anstrengend für Wirtschaft und Politik ist, sind wichtig, denn die Menschen, welche solche Unternehmensentscheidungen treffen, sollten wir nicht aus der gesellschaftlichen Verantwortung nehmen. Aber mindestens genauso wichtig ist es, dass wir uns zu Menschen entwickeln, welche eine solche Alternative Gesellschaft überhaupt tragen können. Moralisch, nicht wirtschaftlich.

Welches Recht hast du, dich zu beschweren, wenn du einerseits vom Arzt ein unnötiges Medikament verschrieben bekommst, du es andererseits nicht schaffst die Finger von Gebäck und Limonade zu lassen?

Hast du ein Recht darauf, dich darüber zu beschweren, dass man im Internet keine vernünftigen Informationen findet, wenn du dir stundenlang nutzlose Videos auf Youtube ansiehst und nicht einmal drei Bücher zu diesem Thema gelesen hast?

Wir sollten uns zunächst als würdig erweisen. Jeder von uns sollte zu allererst ein Mensch werden, auf dessen Schultern überhaupt Wissenschaft, Wirtschaft und Politik funktionieren können, so wie wir uns das wünschen.

Was hast du getan, um ein sauberes und informierendes Internet zu verdienen? Was hast du dafür getan, in einem Wirtschaftssystem zu leben, dass dich nicht versucht zu einem seelenlosen Konsumautomaten zu degenerieren?

Eine Eigenschaft hat ein Mensch, der ein Utopia tragen kann: Seine Wünsche und Träume gehen weit darüber hinaus, einen schöneren Po, ein besseres Auto, einen schönen Urlaub oder gutes Essen zu haben.

Moderne als Eliminierung von Unterschieden

Es ist der Auftrag der Moderne an uns Menschen, ein möglichst gleichbleibendes Wohlgefühl zu erhalten. Das verhindert paradoxerweise, dass wir wirklich und zutiefst glücklich werden.

Hunger, Kälte, Entbehrung – Schmerz gilt als grundsätzlich nicht mit diesem Imperativ vereinbar, weil wir in der Moderne gleichzeitig noch unser natürliches Verhältnis zu Schmerz bewahrt haben. In der Natur, nach vielen Jahrmillionen der Auslese, haben wir Schmerz- und Lustempfinden ausgebildet, dass uns zu unserem Überleben und seinen Mitteln geleitet hat.

Wer Hunger hatte, hat sich auf die Suche nach Nahrung gemacht. Damals mussten wir lange Fußmärsche, aufregende Jagdgen und mühsame Kletterpartien auf uns nehmen, wollten wir essen. Einfach nur joggen gehen? Das war der Wahnsinn.

Heute reicht ein Gang zum Kühlschrank. Wer nicht joggen geht, ist heute wahnsinnig.

Essen in der Natur hat uns zu hoher Gesundheit verholfen. In der Moderne gibt es uns Fettleibigkeit.

Wir müssen unser Verhältnis zu Schmerz ändern. Wir müssen lernen den Schmerz zu suchen und zu akzeptieren. Wir können uns kein natürliches Verhältnis zu Schmerz mehr leisten. Wir brauchen das unnatürliche Verhältnis.

Wohlgefühl ist eine Wahrnehmung von Unterschieden. Wir können diesen Unterschied durch zwei Möglichkeiten erreichen:

  1. Wir eskalieren den Reiz, der uns Lust bereitet.
  2. Wir fasten, suchen den Schmerz, um den Reiz wieder für uns sichtbar zu machen.

Die erste Möglichkeit ist nicht aussichtsreich. Sie führt zu Diabetes, Pornoabhängigkeit, Drogensucht oder verschwendete Stunden auf Facebook.

Das sind doch wundervolle Nachrichten, denn es ist der Schmerz, welcher uns besser macht, uns gesünder macht, wenn wir uns Hunger, Kälte und Entbehrung aussetzen. Die Welt ist so eingerichtet, dass der einzige Weg zu dauerhaftem Glück dazu führt, dass wir zu besseren Menschen werden.

Ein neues, ein unnatürliches Verhältnis zu Schmerz muss unsere neue Natur werden.