Der Gedanke der Ästhetik hat sich ein wenig entwickelt. Vervollkommnung und Kunst haben ein wichtiges Element gemeinsam:
Die Beziehung zwischen dem Schaffenden und einem Erschafften.
Unser aller persönlicher Weg entfaltet sich vor uns, in dem wir Schritte tun. Wir erschaffen den Weg mit jeder Entscheidung, die wir getroffen haben.
Abstrakt könnte man sagen, dass wir uns im Raum aller Möglichkeiten durch unsere Entscheidungen bewegen.
Diese Entscheidungen können bewusst oder unbewusst sein. Bewusstsein ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass es auch wirklich ein „du“ oder „ich“ gibt, dass diesen Weg beschreitet. Ohne Bewusstsein sind wir nichts weiter als Maschinen.
Entscheiden heißt in diesem Sinn, dass wir unser eigenes Leben von Moment zu Moment als eine Geschichte erschaffen.
Schönheit kann ein Entscheidungskriterium für uns sein. Vervollkommnung wird damit zur Kunst. Von diesem Punkt aus ergeben sich spannende Gedanken, die sich lohnen zu denken. Die Mittel der Vervollkommnung sind unsere Hämmer und Meißel oder Farben und Pinsel.
Welche Metapher siehst du für deine eigene Vervollkommnung?
- Ein Bild?
- Eine Skulptur?
- Ein Musikstück?
Bei diesen Überlegungen geht es hier nicht um harte und logische Entscheidungen. Vielmehr geht es darum, dass du eine ästhetische Entscheidung triffst. Was willst du erinnern? – Jetzt und in Zukunft? Diese Entscheidung kannst du nur treffen, wenn du ein emotionales Verhältnis zu deinen Entscheidungen selbst hast.
Wenn dir dein Leben, deine Biographie, deine Vervollkommnung egal ist, dann kannst du diese Art der Entscheidung nicht treffen.
Deswegen halte ich es für ungemein wichtig auch solche Gedanken zu verfolgen. Ohne ein emotionales Verhältnis zu diesem Thema, verlieren die Überlegungen um die Vervollkommnung an Wirkung in der Welt. Emotionen sind eine wichtige Antriebsfeder für unser Leben und daher eine wichtige Ressource für unsere eigene Ichwerdung.
In welche Dinge investierst du deine ästhetischen Bemühungen?
- Willst du, dass dein Wohnraum immer tip top aufgeräumt ist?
- Willst du, dass dein Körper immer hydriert ist?
- Willst du, dass du ein soziales Leben hast, dass dich emotional und geistig stimuliert?
- Hat das, was du von Sekunde zu Sekunde tust, einen Aspekt der Schönheit oder hat Schönheit keine Relevanz für dein Tun?
Der Gedanke der Vervollkommnung im Sinne der Ästhetik gefällt mir seit deinem ersten Beitrag darüber. Er macht meiner Meinung nach freier, da keine Entscheidung zwischen gut und böse getroffen wird, sondern zwischen schön und hässlich. Dass diese Extreme sehr subjektiv sind ist vielen Menschen zugänglicher, als es bei gut und böse der Fall ist. Aber auch für mich selbst ist es leichter, weil bedingungsloser: Bei der Entscheidung zwischen gut und böse schwingen Gesellschaftsbilder, Erfahrungen, Einflüsse anderer Menschen mit, bei der Entscheidung zwischen schön und häßlich (in meinem Fall) kaum. Ist die Entscheidung zwischen schön und häßlich deiner Meinung nach relativer und weniger verbindlich als die Entscheidung zwischen gut und böse? Hier sehe ich Gefahren. Die Metapher für meine Vervollkommnung ist die Skulptur. Ich bin ein haptischer Mensch, der Fortschritt spüren will. Der aber auch Ecken und Kanten hat – damit meine ich nicht meine Persönlichkeit, sondern meinen Weg der Vervollkommnung. Jedes Kunstwerk ist ein Produkt seines Prozesses, und den Prozess kann man im Kunstwerk sehen. An dem Bild der Skulptur gefällt mir außerdem die Vorsicht und Überlegtheit, wenn ich daran weiterarbeite, aber auch die dauerhafte Sichtbarkeit von “Fehlern” von mir, in welcher Form auch immer. Diese Fehler können natürlich kaschiert werden, sind aber immer sichtbar. Am deutlichsten wohl für den Künstler. Meine Skulptur soll am Ende durch ihre Fehler, durch ihre Ecken und Kanten, durch besonders gelungene Passagen und in ihrer Gesamtheit für mich ästhetisch sein. Aber jeder Künstler freut sich über ernstgemeintes Lob :)