Für gewöhnlich wird behauptet, dass psychische Gewalt mindestens genauso verletzend und schädlich ist wie körperliche Gewalt:
Obwohl sie unsichtbar scheint und im Verborgenen wirkt, kann sie mehr verletzen als körperliche Gewalt. Gerade das macht sie so gefährlich.1 (Meine Hervorhebungen)
Für gewöhnlich steckt dahinter der Versuch einem Nichtbetroffenen deutlich zu machen, dass psychische Gewalt real ist und ernst genommen werden sollte. Doch das Problem ist, dass hier ein Ziel auf Kosten der Wahrheit verfolgt wird. Es scheint, als hätten Menschen, die so etwas behaupten, niemals körperliche Gewalt erlebt.
Körperliche Gewalt ist psychische Gewalt. Wenn jemand verprügelt wird, trägt er nicht nur körperliche Verletzungen davon. Natürlich fühlt er sich auch seelisch verletzt. Es ist auch sehr viel leichter, jemanden seelisch durch körperliche Gewalt zu verletzen. Noch mehr: Die Seele nimmt häufiger größeren Schaden durch körperliche Gewalt als der Körper.
Selbstverständlich können wir seelischer Gewalt nicht ihre Gefährlichkeit abzusprechen. Aber seelischer Gewalt einen besonderen Stellenwert einzuräumen ist entweder ein Zeichen für (physische) Friedlichkeit einer Kultur oder Naivität eines Menschen. Oder beides. Vielleicht ist es ein Zeichen für die Entkörperung unserer Kultur.
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https://www.3sat.de/page/?source=/scobel/196436/index.html ↩