Es ist ein seltsames Phänomen, dass viele Menschen von ihren eigentlichen Zielen wissen und sie doch nicht verfolgen. Wie kann das sein? Es wirkt nicht nur irrational, sondern geradezu selbstsabotierend. Warum folgen Menschen nicht ihren Träumen? Warum fangen sie nicht einmal an?
Anstatt diese Menschen abzuschreiben (oder uns selbst), sollten wir dieses Phänomen und damit auch die Menschen ernst nehmen.
Was ist, wenn das Leben einiger Menschen so in Unordnung ist, dass ihnen ihre Träume unerreichbar erscheinen? Was ist, wenn selbst bescheidene Lebensziele als unbezwingbare Berge erscheinen? Vielleicht ist dies die Lebenswelt vieler Menschen. Dies passt zum Unbehagen der Moderne. Es ist ein weit verbreitetes Lebensgefühl der Moderne und das Unbehagen hat gute Gründe. Vielleicht ist es eben nicht die Aufgabe solcher Menschen, ihren Traum zu verfolgen. Vielleicht müssen diese Menschen zunächst ihr Leben in den Griff kriegen, die Bruchteile ihres Daseins wieder zusammenzufügen und es wieder lebendig werden zu lassen, bevor sie es hinter sich lassen können? Könnte es sein, dass man erst ein Leben braucht, bevor man ein Neues beginnt? Denn das ist nötig, wenn man beginnt seine Träume zu verfolgen.
Sich zu entwickeln, zu werden, der man ist, braucht den Willen zum Schmerz. Selbstentwicklung heißt mehr Schmerz und mehr Lust. Wir müssen mehr und härter trainieren, aber auch gesünder essen und tiefer schlafen. Wir müssen mehr und härter arbeiten, aber auch den Sonnenuntergang wärmer auf der Haut spüren und noch öfter, nichts weiter als unseren Atem beachten. Wir müssen uns selbst gnadenloser in Frage stellen, aber auch noch gütiger mit uns selbst und anderen sein.
So sind wir zwar glücklicher, aber glücklicher zu sein tut auch mehr weh. Ein leidender Mensch, der Schmerz und Leiden nicht unterschieden hat und damit nicht unterscheiden kann, sieht in Schmerz nicht den Weg zu höherem, edleren Glück. Für ihn ist Schmerz nichts weiter als Leiden und daher grundsätzlich zu vermeiden.
Und so geraten Menschen in einen Zustand, in dem sie erstarren. Sie leiden, weil sie in ihrem Leid gefangen sind. Ihr Leid ist ein Käfig mit einer offenen Tür. Doch die Welt ist zu bedrohlich und das bekannte Leiden ist manchmal willkommen, wenn man dafür das Chaos der Welt vermeiden kann.