Ein T-Shirt für 4,95 EUR – wie kann das sein? Und schon rollt die Debatte um die Herstellungsbedingungen für Bekleidung. Um das ganze abzukürzen: Ja, Menschen werden unterdrückt, versklavt und ausgebeutet für die billige Kleidung. Das steht außer Frage.
Das übliche Vorgehen ist: sich als Konsument souverän zu verhalten. Bin ich denn nicht mitverantwortlich für den Bedarf, wenn ich mir ein billiges T-Shirt kaufe? Das lässt sich kaum von der Hand weisen. Jede Stimme zählt.
Was macht man, wenn man sich für seine Konsumentensouveränität entscheidet? Man entscheidet sich für den Markt. Notwendiger Weise. Jedes Mal, wenn ich nicht zu einem der Billighersteller für Kleidung gehe, unterwerfe ich mich den Regeln des Marktes. Jedes Mal, wenn ich durch Kauf von Bioprodukten die Situation der Tiere verbessern will, untwerfe ich ich diesen Regeln.
Was sind diese Marktregeln, denen ich mich unterwerfe? Auf dem Markt bleibt bestehen, wer Profit macht. Das Überleben, die Existenz am Markt wird durch Gewinne bestimmt. Alles andere ist sekundär. Entsprechend sind die Regelungen der Marktakteure. Wenn eine der großen Marken Kampanien zur Demonstration ihrer Corporate Social Responsibility starten lautet deren Rechnung:
“Wir sind verantwortlich, aber notwendige Voraussetzung dafür ist der Profit. Ohne den können wir nix machen.”
Kann ich als souveräner Konsument handeln? Die Antwort lautet: Was redest du da?
Der Begriff “souveräner Konsument” ist in sich widersprüchlich. Als Konsument untwerfe ich mich den Marktregeln, die gänzlich amoralisch über Existenz von Marktakteuren bestimmen. Ich unterwerfe mich der Freiwilligkeit von kapitalistisch konditionierten Unternehmen, sich moralisch zu verhalten aber nur unter der Bedingung, dass sie weiterhin Profit machen.
Man ist als Konsument nicht souverän. Das ist schon mal sicher. Wer sich versucht als Konsument souverän zu verhalten ist schlussendlich moralisch gestört.
Die Verantwortungszuschreibung muss ohne den Konsumentenbegriff auskommen. Die Antwort um die Frage “Bin ich souverän?” verläuft nicht über den Konsum, denn da ist keine Souveränität zu finden.
“mitverantwortlich für den Bedarf, wenn ich mir ein billiges T-Shirt kaufe” Aus dem Kauf eines solchen T-Shirts ergibt sich doch die Frage, warum Menschen möglichst wenig Geld für ein T-Shirt ausgeben wollen. IdR weil sie nur begrenzt Geld zur Verfügung haben. Kleidung ist jedoch erforderlich, um auch an weniger warmen Tagen zu überleben. Ist es nicht (moralisch) gestört, dass dieses Grundbedürfnis nur durch Geldbesitz (den die meisten nur durch die Anbietung und, wenn sie Glück haben, durch Ausbeutung ihrer Arbeitskraft erlangen können) befriedigt werden kann? Womit nicht gemeint ist, dass die Menschen Spielbälle der ökonomischen Ordnung wären; dies würde die menschliche Fähigkeit, sich jederzeit neu zu entscheiden, verkennen. Solltest du dies ausgedrückt haben wollen, stimme ich dir zu.
“Jedes Mal, wenn ich nicht zu einem der Billighersteller für Kleidung gehe, unterwerfe ich mich den Regeln des Marktes.” Diesen Regeln ist man auch unterworfen, wenn man bei einem Billighersteller kauft. Dieser kann einen niedrigeren Preis nur anbieten, wenn er die Arbeitskraft anderer ausbeutet. Nichts anderes tut derjenige, der Bioprodukte anbietet. Der wäre ja auch schön blöd, wenn er das nicht täte, denn dann würde er beim Verkauf keinen Profit mehr erzielen (soviel auch zu CSR).
Ist es nicht ein Widerspruch, einerseits die Marktregeln als amoralisch einzustufen und gleichzeitig den Unternehmen zuzugestehen, dass sie sich freiwillig moralisch verhalten können? Ich denke, sie würden keinen Profit machen, würden sie sich moralisch verhalten. Wie kommst du zu dem Schluss, dass die Marktregeln amoralisch sind?
Natürlich kann man sich weiterführend sich die Frage des wirtschaftlich-sozialen Kontextes stellen. Dieser Missstand kann aber nicht moralisch gestört sein. Das können nur moralische Akteure (die notwendiger Weise auch kognitiv sein müssen) und keine Sachverhalte. Inhaltlich gebe ich dir absolut Recht. Die aktuelle Wirtschaftsform nutzt Geld als Mittel der künstlichen Verknappung von Gütern, degradiert Menschen zu Arbeitskraft (=Gut) und verhindert eine gerechte Verteilung von Gütern.
Ich versuche hier den Unterschied zwischen passiv den Regeln des Marktes zu genügen und sich aktiv zu unterwerfen. Wenn ich einfach kopflos irgendwas kaufe, was mir in den Sinn kommt, entspreche ich zwar auch den Martkregeln, das aber nur zufällig. Wenn ich bewusst ein Produkt kaufe um eine unterstellte Verantwortung als Konsument wahrzunehmen, dann arbeite ich aktiv mit diesen Regeln. Dass man dabei aber die Hegemonie einer nur am Profit orientierten Maschinerie bestätigt und festigt, ist den Menschen ja nicht klar, wenn sie dir mit einer Mischung aus Stolz und Vorwurf erzählen, dass sie nur Bio kaufen, weil sie solche Tierfreunde sind.
Diesen Widerspruch kann man auflösen, in dem man zwischen amoralisch und unmoralisch unterscheidet. Amoralisch zu seinist die Eigenschaft nichts mit Moral zu tun zu haben. Ein Tisch ist amoralisch, ein Markt ist amoralisch usw.
Unmoralisch zu sein ist dagegen eine Eigenschaft, die eine Überkategorie zu moralisch gestört und böse zu sein. Unternehmen sind Akteure. Deswegen können sie auch moralisch handeln. Unmoralisch sind sie, weil sie Profit über Würde, Glück, Freiheit usw. stellen. Das macht sie zu bösen Akteuren.
Es ist kein wirklicher Schluss, ich argumentiere nicht dafür, dass der Markt amoralisch ist. Ich habe nur eine Definition von amoralisch sein auf eine Entität angewandt.
moralisch gestörtböse. Ich bin mir noch nicht sicher, wohin die Überlegung geht, weil die meisten Leute sich ja überhaupt keine Gedanken um sowas machen. Entweder läuft es darauf hinaus, dass man selbst verpflichtet ist sich zu informieren und abzuwägen. Dann sind die Leute moralisch gestört. Wenn ich es nicht schaffe ihnen die Verantwortung für Unwissen zuzuweisen, dann eben nicht.Darauf läuft es dann auch hinaus. Ob ich eine Antwort auf die Systemfrage finde oder überhaupt suche, steht noch aus. Produkt dieses Projektes soll eine Anleitung zum guten Leben sein und nicht zur guten Gesellschaft. Ich richte mich damit an eine Menge sondern an eine Menge von Einzelpersonen. Das heißt, dass höchstens das direkte Umfeld mit Thema sein wird. Das wird sich zwar groß mit der Systemfrage überschneiden (ich glaube, dass man das System nicht als Ganzes kippen kann, sondern tumorartig unterwandern müsste), aber kein zentraler Inhalt werden.
PS: Bevor ich es vergesse: Benutz’ bitte für Zitate das Blockquotetag oder einfach noch eine Zeile Abstand zwischen Zitat und Text. Das ist deutlich leserlicher.
Entweder verstehe ich falsch oder du kommst mit den Definitionen durcheinander. Ich habe es so verstanden: Überkategorie ist “unmoralisch”. Darunter finden sich “moralisch gestört”/”gestört” (synonym?) und “böse”. “Moralisch gestört”/”gestört” liegt immer dann vor, wenn jemand einen Sachverhalt nicht durchschaut oder nicht durchschauen will und deshalb unwissend durch die Gegend läuft (BWL-Student, Käufer von Bioprodukten). “Böse” liegt vor, wenn jemand den Sachverhalt durchschaut, quasi absichtlich entgegen der moralischen Notwendigkeit handelt. Dann hättest du allerdings den KIK-manager etc. als “böse” und nicht als “moralisch gestört” qualifizieren müssen. Ist das richtig? Ich denke schon, dass sich die Menschen Gedanken machen und sich Meinungen bilden, siehe zB diejenigen, die sich als souveräne Konsumenten betrachten. Diese sind ja noch stolz drauf, dass sie sich informieren und abwägen. Sie kommen nur zu falschen Ergebnissen, in diesem Fall beeinflusst durch ihr Geltungsbedürfnis (Ich bin wichtig und kann etwas bewegen). Ich bin gespannt, ob du ihnen die Verantwortung für ihr Unwissen zuweisen wirst oder nicht und auf die dazugehörige Begründung.
Müssten nicht auch die, die mitmachen, weil sie erstmal nicht daran vorbeikommen, als moralisch gestört klassifiziert werden weil und wenn auch sie den Sachverhalt nicht durchschauen? Als nicht moralisch gestört kann doch eigentlich nur der gelten, der sich zwar über seine Teilhabe am Kapitalismus und der Ausbeutung im Klaren ist und dies nicht für gut befindet (denn wie du richtigerweise sagst, kommt man erstmal nicht drum herum).
Ich denke auch nicht, dass du um die Systemfrage herumkommst wenn du eine Anleitung zum guten Leben geben willst aber das weißt du ja auch selbst. Die tumorartige Unterwanderung finde ich richtig.
Ich werde beim nächsten Zitat daran denken.
Einige machen sich schon Gedanken, aber die meisten Menschen, mit denen ich rede, haben sich tatsächlich keine Gedanken gemacht. Viele leben auch nicht bewusst genug um sich ihrer Lage überhaupt gewahr zu sein. Soweit zumindest mein persönlicher Eindruck.
Das mit der Verantwortung ist mir selber noch nicht klar. Ich bin mir auch nicht klar, ob es auf die Seite meiner Wertung oder auf die Notwendigkeitenseite kommt. Also zum Axiom oder zum Algoritmus gehört.
“Gestört” und “moralisch gestört” sind keine Synonyme. Das wird auch ein Fummelei das immer auseinander zu halten. Psychische Störung gibt es ja auch und ist ein sehr zentrales Thema für dieses Projekt.
Person A sagt, wirtschaftlicher Liberalismus ist gut, weil er persönliche Freiheit befördert. Person B sagt, wirtschaftlicher Liberalismus ist schlecht, weil er Ungerechtigkeit befördert.
Beide argumentieren mit verschiedenen Werten. Einer mit Freiheit und der andere mit Ungerechtigkeit. Niemand ist aber gerechtfertigt dem einen Wert ein Vorrecht einzuräumen. Man kommt nicht um eine axiomatische Setzung herum. Da liegen auch alle Probleme mit dem üblichen moralischen Dilemmata verborgen. Um diese zu entscheiden, braucht man Axiome. Die kann man aber einfach bestreiten und hat entweder die Position rechtfertigungsbedürftig gemacht oder treibt den Gegenüber in einen infiniten Regress rein.
Das ist wichtiger Ausgangspunkt dieses Projektes. Die Anleitung stellt zum einen den Kompass richtig ein, zum anderen zeigt er die Möglichkeiten sich zu entscheiden auf. Aber ich versuche hier den Fehler zu vermeiden über Wahrheit und Falschheit von Axiomen moralischer Bewertungen zu urteilen.
1.Wenn du sagst, dass sich die meisten keine Gedanken machen, meinst du das in Bezug auf Selbstreflexion oder auf das Finden von Erklärungen von praktischen Problemen? Hinsichtlich der Selbstreflexion würde ich sofort zustimmen; die wenigsten hinterfragen ehrlich und kritisch ihre Wünsche, Gedanken und Handlungen. Das so keine Weiterentwicklung und -verbesserung stattfinden kann, liegt auf der Hand. Wenn es um die Erklärung von praktischen Problemen geht, sind die meisten ambitionierter. Sie haben sich fast alle ihre Theorien zurechtgelegt, warum die Dinge so sind, wie sie sind. Leider sind alle Theorien der bürgerlichen Ideologie entnommen und dienen damit dem Erhalt des ökonomischen status quo.
Die Frage nach der Verantwortung für Unwissen ist wirklich kniffelig. Ich tendiere stark dazu, einen freien Willen bei jedem Menschen anzunehmen, denn sonst gäbe es doch weder moralisches noch unmoralisches Handeln. Geht man davon aus, muss man aus der Tatsache, dass sie unwissend sind, den Schluss ziehen, dass sie nichts anderes/zusätzliches wissen wollen. Sie sind für ihre Unwissenheit also selbst verantwortlich. Verstehe ich richtig, dass du dich fragst, ob die Verantwortung für Unwissen zur Basis oder zum Lösungsweg des Problems gehört? Nimmt man die Verantwortung für Unwissen als Axiom, kann man nur von ihrem Vorliegen oder Nicht-Vorliegen ausgehen. Eine Begründung, die nicht empirisch ist, ist dann doch nicht mehr möglich, oder?
Der Schluss von Existenz von Willensfreiheit auf Unwille sich zu informieren ist nicht gültig. Du hast nur zwei Sachverhalte zusammengebracht, aber nicht den notwendigen Zusammenhang gezeigt. Nicht alles, was vorliegt, ist Produkt des Willens. Nur weil ich einen freien Willen habe, bin ich nicht unwillig mich zu informieren, wenn ich nicht informiert bin. Erstens muss man notwendiger Weise aus Informationen auswählen, so dass man einiges nicht wissen kann. Zweitens sind diese Entscheidungen nicht immer rational möglich, weil es man die Entscheidungskriterien überblicken kann. Fehler sind möglich.
Verantwortung kann kein Axiom in einem Aussagensystem sein. Der Rest des Argumentes ist tautologisch und schließt daher empirische Überprüfung kategorisch aus. Alles liegt entweder vor oder nicht, solange der Satz des ausgeschlossenen Dritte gilt.
Ich habe selbst natürlich Wertungen und sie werden auch Teil dieses Projektes sein. Einige grundlegenden Dinge werde ich dabei natürlich festlegen, aber gleichzeitig immer offen darüber sein, dass man sich auch anders entscheiden kann. Der Kompass zeigt einem dann nur (hoffentlich) korrekt die Entscheidungsmöglichkeiten an.
Warum kann das kein Axiom sein?
Verantwortung ist kein Begriff und keine Aussage. Ein Begriff kann kein Element eines Aussagensystems sein. Daraus folgt, dass Verantwortung nicht Element eines Aussagensystems sein kann. Ein Axiom ist eine Element eines Systems. Also kann Verantwortung kein Axiom sein.
Ich dachte, es ginge um die Verantwortung für Unwissen (vorliegend oder nicht vorliegend). Ist das keine Aussage? Allerdings kenne ich deine Definition von Aussagen nicht.
Verantwortung ist notwendige Bedingung dafür, dass man jemandem etwas zum Vorwurf machen kann. Wenn jemand für etwas nichts kann, was soll ihm man da sagen? Deswegen verstehe ich deinen Einwand mit der Verantwortung nicht.
Eine Aussage stellt quasi einen Sachverhalt fest. Der Ausdruck dafür ist Proposition (Wiki). Verantwortung ist ein Begriff. Er ist quasi ein Konzept, ein Modell von etwas oder Ähnliches.
Ich werde mich in die formale Logik, insbesondere in die Axiomatik und die Regeln des logischen Schlussfolgerns einlesen. Vielleicht faellt die Diskussion dann in Zukunft auf diesem Gebiet leichter.
Das wird nicht besonders nötig sein. Ich denke, dass es mit den aristotelischen Syllogismen und ein bisschen Übung mit solchen Themen getan ist (ich bin selber noch in der Mache, also ist das eine Einschätzung von Angesicht zu Angesicht, keine Belehrung).