In meiner aktuellen Bewegungspraxis übe ich den Handstand. Dabei höre ich Podcasts, von denen ich mir viel verspreche. Ich versuche Menschen zuzuhören, die meiner Meinung nach groß sind.
Was meine ich mit groß? Und was sind große Menschen?
Wer sich hier in diesem Blog ein bisschen einliest, wird bereits eine gute Vorstellung von dem haben, was ich einen großen Menschen nenne.
Große Menschen sind groß, weil sie sich auf ihren eigenen Lebensweg begeben haben. Woher weiß man, dass sie sich auf ihren Lebensweg befinden und auch auf ihm gehen? In den meisten Fällen können sie das direkt sagen. Man kann nicht, ohne es zu wissen, auf seinem Lebensweg sein. Bewusst-sein darüber, dass man sich auf diesem Lebensweg befindet, ist notwendige Voraussetzung, dass man sich auf ihm befindet.
Das Seltsame am eigenen Lebensweg ist, dass er sich in dem Augenblick formt, in welchem man in dem bewusst-sein „das ist mein Lebensweg“ einen Schritt tut. Er formt sich als Akt des Gehens und wird dadurch erschaffen, doch er erscheint uns selbst, als würden wir ihn entdecken.
Große Menschen verstehen diese Paradoxie nicht nur. Sie entfalten diese und lösen diesen vermeintlichen Widerspruch auf. Für sie ist Entdeckung und Schöpfung eins.
Eben nach solchen Menschen suche ich für meine Podcasts. Menschen, die ihren eigenen Lebensweg erschaffen und dies auch bewusst machen.
Podcasts scheinen nun ein sehr profanes Mittel, doch wir sollten uns an dieser Stelle nicht von diesem Mangel an Romantik ablenken lassen. Ich bin, wie man so schön sagt, bibliophil und liebe die Vorstellung in einer alten Bibliothek Literatur großer Menschen zu lesen. Doch diese Verhaftung an alter Technik um alte Inhalte zu vermitteln lenkt ab. Es geht schließlich um die Inhalte.
Der Handstand gehört jetzt zu meinen Zugtieren körperlicher Vervollkommnung und doch bietet er so viel mehr. Nicht unbedingt er selbst, doch vielmehr die Praxis des Übens, liefert mir mehr als nur einen Handstand.
Es ist die Stille Zeit am frühen Morgen, die ich in Ruhe für mich habe, die mich auf den Tag einstimmt. Wenn ich besonderen Menschen zuhöre, werde ich inspiriert. Es ist eine stille Praxis, alleine in einem Fußballkäfig, wie man ihn überall findet. Sie lädt mich mit einer ruhigen Kraft auf. Selbst die Müdigkeit meiner Schultern am Ende der Übungszeit scheint mich aufzuwecken.
Ich habe also etwas für meiner körperliche Vervollkommnung getan. Gleichzeitig habe ich etwas für meine geistige Vervollkommnung getan, denn schließlich könnte ich es nicht einmal vermeiden, dass ich von diesen großen Menschen lerne.
Die seelische Vervollkommnung ergibt sich aus der Praxis. Man kann seelische Vervollkommnung nicht intellektuell erreichen. Man kann nicht eine Reihe von Büchern lesen und sich dann seelisch vervollkommnen. Erst in der Ausübung der Tugenden wird man auch seelisch der, der man ist.
So ist der Handstand am Morgen ein einfaches Vehikel für mich. Er ist völlig frei von Barrieren, denn ein ein kleiner Fleck Erde findet sich immer. Und trotzdem ist er ein mächtiges Vehikel für die Vervollkommnung: Die Handstandpraxis bietet mir die Möglichkeit auf allen drei Ebenen zu werden, der ich bin.