Im Text “Harmonisierung der Vervollkommnung” schneide ich den Gedanken an, dass man durch den Prozess der Selbstvervollkommnung das Glück mit seinem Selbst assoziieren kann. Im nachfolgenden Beitrag will ich diesen Gedanken ausführen.
Dieser Gedankengang ist eng verbunden mit dem Konzept der Unterscheidung zwischen Selbst- und Fremdbestimmung.
Selbstbestimmung bedeutet, dass das Selbst sich als Ursache für etwas von sich selbst setzt, während Fremdbestimmung heißt, dass die Umwelt des Selbst die Ursache für etwas von sich selbst ist.
Der Beitrag dreht sich um das Thema Glück und wie man sein Lebensglück aus sich selbst heraus, aus seinem Selbst, bezieht. Was heißt es also, dass das Selbst sich als Ursache für das Glück, dass es empfindet, setzt?
Am Anfang geht es um einen Anspruch und um eine Entscheidung. Ist Selbstbestimmung erstrebenswert?
Den Sinn des Lebens habe ich als die Vervollkommnung des Selbst gesetzt. Das Lebensglück ist eine wichtige Voraussetzung für diese Vervollkommnung. Die Mindestvoraussetzung ist die Abwesenheit von psychischen Krankheiten, die das Selbst entmächtigen proaktiv seine eigene Vervollkommnung anzustreben. Ein Beispiel dafür ist eine Depression. Vervollkommnung ist ein steiniger Weg, welcher Stärke voraussetzt. Depression ist da ein Hindernis und kann bis in die Handlungsunfähigkeit führen. Wer nicht handelt, kann sich nicht vervollkommnen.
Das Selbst ist das am ehesten Kontrollierbare in der Welt. Konzepte wie das Unbewusstsein, welches als Teil der Psyche zum Selbst gehört, deuten an, dass man sich selbst nicht total kontrollieren kann.
Die Umwelt dagegen ist da draußen und entfernt von uns. Wir können nur Handlungen in die Welt werfen und gemäß unserer Gewohnheit hoffen, dass das passiert, was wir erwarten. Wir können unsere Arbeit und unseren materiellen Wohlstand durch das Wirken des Marktes verlieren. Wir können unsere Lieben durch einen Unfall verlieren. Wir versuchen uns zwar weitesgehend abzusichern, schließen Versicherungen ab oder fragen unsere Lieben, wie es ihnen geht. Schlussendlich bleibt unser Selbst mit größter Sicherheit.
Selbstbestimmung von Glück heißt, dass das Selbst sich als Ursache für sein Lebensglück setzt. Es bedeutet die Abkehr von der Umwelt als Quelle des Glücks. Das geht selbstverständlich nicht vollständig. Dies würde auch mit anderen Werten in Konflikt geraten. Treue und Fürsorglichkeit als Tugenden verstanden sind nicht ohne Umwelt möglich.
Ich will Freundschaft als Beispiel nehmen um diesen Gedanken zu Ende zu führen, obwohl natürlich materieller Besitz und Ähnliches auch hervorragende Beispiele darstellen.
Es beginnt mit der Frage: Was ist der Grund, dass ich meinen besten Freund habe? Bin ich es?
Vor einigen Jahren noch habe ich in völlig anderen Kreisen verkehrt. Mein soziales Umfeld hat sich größtenteils durch meine Zeit in einer Jugendband entwickelt. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich Vervollkommnung zu meinem Lebensinhalt gemacht. Ich lehnte Selbstvergiftung in Form von Alkohol und Selbstzerstörung in Form von Trägheit ab. Ich zog Konsequenzen aus meiner Einstellung und versuchte widerspruchsfrei zu leben, in dem ich meine Sicht auf die Gesellschaft auch auslebte. Ich hasste die Oberflächlichkeit in Form von Mode und Etiquette. So begann ich diese abzulegen. Ich hasste die Abhängigkeit von Besitz und Bequemlichkeit. So habe ein halbes Jahr auf dem Boden geschlafen (genauer: habe mir keine neue Schlafgelegenheit besorgt, nachdem meine Matraze Schimmel gefangen hatte. Ich war zu blöd sie zu wenden, obwohl sie auf dem Boden lag) und es mir zur Gewohnheit gemacht Dinge, die ich länger als ein Jahr nicht gebraucht habe, aus meinem Besitz zu entfernen.
Ich lebte meine Version von Askese aus. Es war mir zu dem Zeitpunkt nicht klar, dass dies mit einer derartigen Entscheidung zusammenhängt. Ich entfernte mich aus meinen sozialen Kreisen und lebte nur noch für den Sport und für die Philosophie. Für ein halbes Jahr bestand mein Leben nur noch aus brennenden Muskeln, Lesen und Schreiben. Ich hatte nur noch sehr sporadischen Kontakt zu Menschen, was auch mehr eine kurze Unterbrechung war, während es mich wieder zu meiner Abgeschiedenheit trieb.
Es war nicht so, dass ich nicht die Gelegenheit hatte, Freundschaften und Bekanntschaften zu schließen. Doch ich hatte kein Interesse daran. Ich hielt diesen Kontakt in vielen Fällen für Zeitverschwendung.
Doch ich lernte Menschen kennen, wie meinen ehemaligen Mitbewohner. Wir teilten viele Werte nicht, doch trieb er zu der Zeit ähnlich manisch Sport und hatte einen ähnlichen Trieb zur Vervollkommnung wie ich. Er war nur viel materieller orientiert, war mehr am Tanzen als am Kampfsport interessiert – wir unterschieden uns in vielerlei Hinsicht und doch konnte ich viel von ihm lernen und ich hoffe auch, dass er viel von mir lernen konnte.
Schließlich lernte ich dann meinen besten Freund kennen. Tatsächlich mussten wir erst lernen uns zu ertragen. Er wahrscheinlich mehr als ich, denn ich bin ein schwieriger Mensch. Wir kannten uns schon seit Jahren, hatten uns sogar zum Thema “Zettelkasten” (wir beide führen einen, allerdings digital) angeregt ausgetauscht und doch haben wir erst einige Jahre später zusammengefunden, uns erst noch zusammengerauft.
Voraussetzung dafür ist die Entscheidung, die ich viel früher getroffen habe. Hätte ich nicht so lange alleine gelebt und in dieser Phase viele meiner Werte entwickelt, wäre ich vielleicht sehr viel mehr am Mainstream orientiert gewesen. Durch engeren Kontakt zu Medien und Menschen anderer Werte, wäre ich vielleicht ihrer Konditionierung erlegen gewesen. Mein bester Freund hätte mich nicht ertragen lernen müssen. Ich wäre vielleicht sehr viel umgänglicher gewesen, doch wesentlich ärmer an meinen jetzigen Tugenden und Werten. Hätte er mich dann so als seinen besten Freund angenommen? Selbstverständlich nicht, lautet die einzige Antwort. Eben diese Tugenden und Werte sind das, was uns zusammengeführt hat, obwohl wir uns kaum ertragen haben.
Warum bin ich der Grund dafür, dass ich meinen besten Freund habe? Warum sehe ich nicht den Grund im Zufall oder in räumlicher Nähe? Zweifellos haben diesen beiden Punkte auch eine ursächliche Rolle für unseren Freundschaft. Doch in meiner Welt habe ich alles vorbereitet um ihn als Teil meines Lebens werden zu lassen. Ich habe die Konsequenz und die Werte entwickelt, die ich für richtig hielt. Ich habe aufgehört meine Zeit mit Nichtigkeiten zu verschwenden und mich mehr mit meinem Selbst beschäftigt. Ich habe mich in dieser Zeit aktiv zu dem Menschen geformt, der ich sein musste, damit ich überhaupt einen Gewinn für meinen besten Freund sein kann.
Ich habe Kontakte abgeblockt und stark gefiltert, abgewogen, welche Menschen ich in mein Leben lasse. Dass ich mich mit meinen Entscheidungen zu diesem Menschen, der ich bin, geformt habe, ist der Grund, weshalb ich einen wirklich besten Freund habe.
Es folgt noch ein weiteres Beispiel, für die Frauen unter meinen Lesern.
Viele Frauen, mit denen ich mich unterhalte, leben das Leben einer frustrierten Single-Frau. Oft höre ich, dass es keine guten Männer gibt, dass sie nur von den Falschen angegraben werden. Ich erlebe, dass viele Frauen sich “zufrieden geben”. Ein ehrlicherer Ausdruck dafür ist, dass sie sich damit arrangieren, dass ihre Ansprüche nicht erfüllt werden.
Eine Gegenfrage, die ich stelle, ist: Was tust du um einen Teil des Lebens eines guten Mannes zu werden?
- Wenn dir wichtig ist, dass der Mann Humor hat, bist du tatsächlich so schlagfertig und witzig, dass ein solcher Mann eine Unterhaltung mit dir genießt?
- Wenn dir wichtig ist, dass der Mann gebildet ist, bildest du dich deinerseits entsprechend, dass ein solcher Mann mit dir diskutieren will?
- Wenn dir wichtig ist, dass der Mann dich attraktiv findet, was tust du dafür, dass dein Körper gesund und fit ist?
- Wenn dir wichtig ist, dass der Mann dich für voll nimmt, was tust du dafür, dass du dich zu einem vernünftigen und vollwertigen Menschen entwickelst?
Für die Frauen, die das Problem haben, dass es keine guten Männer da draußen gibt: Könnt ihr wirklich behaupten, dass ihr einen solchen Mann verdient? Ist euer Selbst genug oder wollt ihr euch nur an dem Wert des Mannes laben.
Ich kann nicht anders als mich für genug zu halten. So wie mein bester Freund eine Bereicherung für mein Leben ist, bin ich eine Bereicherung für sein Leben. Wäre ich das nicht, wäre ich ein sozialer Parasit und das will ich nicht sein.
Meine Überlegungen haben mich etwas vom eigentlichen Gedanken weggeführt. Es ist nicht der Einklang der Bereiche des Selbst auf dem Weg der Vervollkommnung, der zum Glück aus sich selbst heraus führt. Es ist der Weg der Vervollkommnung selbst, der dazu führt, dass man wenigstens die Voraussetzungen dafür schafft, dass man glücklich wird. Weil das Selbst der am ehesten kontrollierbare Teil der Welt ist, liegt auch hier die größte Verantwortung.
In der Vervollkommnung liegen mindestens Voraussetzungen für die Aspekte des Glücks, die ich als Beispiele verwendet habe. Es geht dabei um die Frage: Bin ich für meine Welt ein Wert? Diese Frage kann nur derjenige bejahen, der aus sich selbst einen vollwertigen Menschen macht. Nur derjenige, der sich auch als Wert für seine Welt betrachtet, steht dieser Aspekt des Lebensglücks überhaupt offen. Wer dies nicht sieht, kann nur davon ausgehen, dass er ein parasitäres Selbst ist. Das macht nicht glücklich.
Was heißt es also, dass das Selbst sich als Ursache für das Glück, dass es empfindet, setzt? In dem es sich selbst als Wert für die Welt annimmt, kann es behaupten: Ich verdiene Glück.