Selbstbestimmung, was soll das sein? Wie üblich ist der systematische Ansatz der Vielversprechendste.
Zunächst muss da ein Selbst sein. Das ist schon eine gewichtige Voraussetzung und ein Thema für sich, dass noch geklärt werden wird.
Über Kinder wird im Allgemeinen bestimmt, weil ihnen die Kompetenz für Selbstbestimmung fehlt. Sie können nicht entscheiden und die Wahrscheinlichkeit, dass sie richtige Entscheidungen treffen, wird im allgemeinen gering eingeschätzt, sonst würde man schließlich mehr Vertrauen in Kinder setzen und ihne nicht so viele Pflichten auferlegen:
- Komm pünktlich zum Abendessen nach Hause
- Putz dir die Zähne
Regeln werden grundsätzlich als wichtig für die Entwicklung von Kindern eingeschätzt. Wenn das Kind nicht nach links und rechts guckt, ist es nämlich bald Tod, was zwar auch Veränderung bedeutet, nicht aber Entwicklung.
Kindern fehlt also die Fähigkeit sinnvollen Gebrauch von Selbstbestimmung zu machen. Diesen Sinn scheint im Ergebnis und in der Einsicht zu liegen. In manchen Fällen wird die Einsicht paradoxer Weise über das Erreichen eines erwünschten Ergebnisses definiert.
“Wenn der Kevin es wirklich verstehen würde, was er sich da antut, würde er nicht rauchen.” – Mutter von Kevin
Nun, das Gleiche kann man bei jedem anderen Raucher anwenden. Warum sprechen wir den Kindern diese Einsicht ab, während wir sie sogenannten Erwachsenen zugestehen. Gemäß der obigen Ansicht, müssten wir die Selbstbestimmung des Erwachsenen ebenso einschränken, denn danach erfüllt er nicht die Voraussetzungen um sinnvollen Gebrauch von Selbstbestimmung zu machen.
Wir müssen uns an dieser Stelle entscheiden, ob wir das Sinnvolle an der Selbstbestimmung an Einsicht oder am Ergebnis festmachen.
Ein gewichtiger Grund spricht gegen das Ergebnis. Es steht uns nicht zur Verfügung. Wir können noch das beste Ergebnis wollen, wir können uns nicht sicher sein, ob wir das erreichen, weil in sehr vielen Fällen der Erfolg nicht nur von uns selbst abhängt. Der Begriff Selbstbestimmung betrifft aber gerade nur das Selbst. Wenn wir also das sinnvolle Selbstbestimmung am Ergebnis festmachen wollen, dehnen wir die Relevanz des Begriffs über das Selbst hinaus. Das kann man machen, aber dann ist man bei einem Begriff, der mehr die Fähigkeit Ziele zu erreichen meint. Sinnvolle Selbstbestimmung als erfolgreiche (was immer auch Erfolg sein mag) Selbstbestimmung zu verstehen hat nichts mehr mit Moral zu tun.
Schließlich will ich ja nicht beurteilen, ob jemand zu dem Ergebnis kommt, das ich für gut befinde. Ich will wissen, ob jemand die Mittel zur Verfügung hat, zu Ergebnissen zu kommen, die er selbst für gut hält.
Hier ist man an dem Punkt angelangt, an welchem Selbstbestimmung immer da sinnvoll ist, wenn derjenige, der davon Gebrauch macht, versteht welche Wirkung sein Handeln haben wird. Selbstbestimmung ist also ein Begriff des Verstehens und damit der Erkenntnistheorie.
Das ist eine Verbindung von moralischem Handeln (Was soll ich tun?) mit normativer Erkenntnistheorie (Was soll ich tun, um zu wissen zu gelangen).
Wenn es bei Selbstbestimmung um Einsicht geht, dann muss man Folgendes akzeptieren:
Wenn ich sinnvollen Gebrauch von Selbstbestimmung machen will, muss ich einsichtig sein. Je einsichtiger ich bin, desto sinnvoller ist der Gebrauch der Selbstbestimmung.
Es kann im moralischen Sinne nur um sinnvolle Selbstbestimmung gehen, wenn man akzeptiert, dass Selbstbestimmung kein Zweck an sich ist. Damit gerät man man in die Nähe von Kant und seinem Vernunftsparadigma.
Aus der Notwendigkeit zur Einsicht folgt nun etwas, was dem allgemeinen Lifestyle widerspricht:
Man darf sich selbst nicht belügen. Wenn man von sinnvoller Selbstbestimmung Gebrauch machen will, darf man die Augen nicht vor der Wahrheit verschließen. Das fühlt sich nicht immer, sogar meist, nicht schön an. In vielen Fällen ist es hart und zerrt am Gemüt. Das Beispiel folgt.
Viele Frauen lassen sich vom Wahnsinn des allgegenwärtigen Imperativs “Sei dünn” fesseln. Alleine das untergräbt die Selbstbestimmung, in dem Sinne, als dass sie ihren die Quelle dieses Wunsches im eigenen Willen verorten und nicht in der Interaktion des Willens attraktiv zu sein mit den Medien.
Machen diese Frauen sinnvollen Gebrauch von ihrer Selbstbestimmung, wenn sie diesem Imperativ folgen? Sind sie einsichtig? Meines Erlebens nach fast nie. Viele können den Unterschied zwischen dem Entstehen eines Wunsches und dem Haben eines Wunsches verstehen. Diese Unfähigkeit äußert sich dann im Verleugnen, dass dieser Wunsch ein Zeichen von Fremdbestimmung ist. (“Aber ich finde das doch schön!”)
Wenn man Frauen darauf hinweist, welche Konsequenz das Handeln gemäß dieses Wunsches hat. Dass sie ihre Selbstbestimmung untergraben, sie massive Abstriche in ihrer Gesundheit machen (Schwindel, schwacher Kreislauf, absurde körperliche Schwäche, Anfälligkeit für Infektionen: Die Liste ist lang und mittlerweile als Status quo akzeptiert), sich selbst kasteien und sich damit dem Bild des schwachen, masochistischen Geschlechts nähern, das nehmen sie in Kauf.
Ich sehe da folgende Alternativen:
- Ich behandle diese Menschen, nicht mehr als vollwertig und entsprechend werte ich sie in ihrer Menschlichkeit ab.
- Ich behandle diese Menschen, als vollwertig. Als Menschen, die nicht selbstbestimmt sind, die sich selbst schädigen und geschädigt und unterdrückt werden wollen.
Die ersten Möglichkeit halte ich ich für humaner als die Zweite. Menschlichkeit ist keine Voraussetzung für Beförderung der Glückseligkeit. Sonst würde iche einen Hund nicht streicheln.
Die Zweite führt ohnehin in eine Paradoxie. Denn vollwertige Menschen zeichnet gerade Selbstbestimmung aus.
Das Fazit: Diese Frauen sind keine vollwertigen Menschen.
Nach dem Lesen deines Posts stelle ich mir die Frage: Kann man innerhalb einer Gesellschaft als vollwertiger Mensch leben der durch und durch selbstbestimmt ist? Ich zumindest gebe diese Selbstbestimmung täglich immer wieder auf, um im gesellschaftlichen Leben zu existieren. Auch wenn es nur kleine Opfer sind.
Oder habe ich dich falsch verstanden?
Ich habe mir noch keine Gedanken dazu gemacht, ob das überhaupt möglich ist. Spontan würde ich erstmal bejahen. Es kommt ja nur darauf an, ob man in der Gesellschaft die Kernpunkte seiner Menschlichkeit behalten kann. Ob Gesellschaft dann dem notwendig entgegensteht, keine Ahnung. Aber ich bezweifle das erstmal intuitiv.
Selbstbestimmung heißt ja nur, dass du selbst bestimmst. Wenn du auf deiner Arbeitsstelle zu einem bestimmten Dresscode angehalten wirst, kannst du dich natürlich weigern und mit der Konsequenz leben. Erst wenn du keine Alternativen hast, bist du notwendig fremdbestimmt. Dazu kommt, dass Selbstbestimmung ja immer nur ein Anspruch ist und damit auch mit Irrtum verbunden. Jemand kann glauben, dass er jetzt Bock auf Brötchen hat, ist aber nur morgens unter Hunger am Bäcker vorbeigegangen.
In seiner Welt nicht. Wird Punkt 1 verfolgt und der Mensch abgewertet, entsteht, je nach Stärke der Interaktion, eben auch der “Aussendruck”, vergleichbar mit der o.g. mediensuggerierten Dünnheit. Der Erkenntnisgewinn ist hier nicht sehr groß: “Diese Unfähigkeit äußert sich dann im Verleugnen, dass dieser Wunsch ein Zeichen von Fremdbestimmung ist. “- ausgehend von diesem Argument kann jeder Wunsch, sofern er nicht auf einem (rein hypothetischen,da nicht realisierbarem) mehr oder minder von der Außenwelt abgekoppelten Entstehungsprozess, als fremdbestimmt aufgefasst werden. Weil sich das Selbst oder Ich eben erst aus der Interaktion mit der Umwelt ergibt, ist deine Abgrenzung zu schwammig und funktioniert hier nicht.
Ja, aber mit diesem Druck muss man eben umgehen können. Wenn einem egal ist, ob man als Mensch in dem von mir benutzten Sinne ist, dann kann einem das ja auch egal sein. Genauso kann man sich gegen den Druck der Medien entscheiden und sagen: Ich nehme die Kosten auf mich. Dass das dabei leicht fällt, ist natürlich nicht gesagt.
Dein zweiter Punkt vermengt historische Entstehung und aktuelles Bestehen. Du würdest ja auch nicht sagen, dass du nur ein bisschen Sperma und eine Eizelle bist. Historisch vielleicht daraus entstanden, aber jetzt eben nicht mehr identisch damit.
Mich würde interessieren was in dir vorgeht wenn du sie in ihrer Menschlichkeit abwertest wie du es als 1. Alternative vorschlägst. In welchem Licht siehst du die Person dann? Was bedeutet es für dich wenn ein Mensch nicht vollwertig ist?
Im echten Leben werde ich wahrscheinlich immer gemäß dieser Maxime handeln. Schließlich mache ich so wie jeder Fehler. Ganz allgemein kann man sagen, dass einem bestimmte Handlungen offen stehen und andere nicht. Wenn man dem gegenüber die Vernunft abspricht, wird man zum Beispiel nicht argumentativ vorgehen sondern affektiv. Anstatt, dass ich dem gegenüber von einer möglichen Gefährlichkeit einer Handlung berichte und es ihm darlege, mache ich ihm einfach Angst. Bei einem Kind wäre das anders, weil man durch ständigen Appell an die Vernunft eben diese befördert (soweit mein Glaube). Wenn ein Kind etwas Dummes sagt, dann erkläre ich ihm, was ich daran für dumm halte. Wende ich den ersten Fall auf ein Nichtkind an, sage ich einfach “Quatsch mich nicht mit so einer Scheiße voll.”
Daran schließt sich für mich der Unterschied zwischen dumm und blöd an. Mein Schützling war dumm (=geistig behindert). Er konnte nicht anders. Eine Frau aus meinem Beispiel ist blöd. Sie könnte anders ist aber (moralisch?) gestört. Das heißt, sie will (in Kants Sinne) nicht anders. Dann bemesse ich sie am scheitern am Anspruch (“Ja, eigentlich hast du Recht, aber…”). Das heißt am Scheitern an einem wesentlichen Kriterium dafür ein vollwertiger Mensch zu sein.