Der Unterschied zwischen akademischen und praktischem Zweifel

Im Absatz zum Unterschied der Philosophie der Akademie und der Philosophie der Praxis habe ich erläutert, dass ich es für eine große Lücke halte, dass es keine angewandte Philosophie gelehrt wird.

Am Prinzip des Zweifels kann man sehen, was dieser Unterschied zwischen diesen beiden Klassen der Philosophie ist.

“Ich denke, also bin ich” von Decartes und seine moderne Fassung, das Gehirn im Tank, sind leicht und schnell erklärt. Dazu wähle ich ein aktuelles und populäres Beispiel:

Frage: Wie kann ich beweisen, dass ich nicht in der Matrix bin?

Antwort: Gar nicht. Alle Tests können von der Matrix unterwandert und die Ergebnisse können immer simuliert werden. Es fehlt der archimedische Punkt, an welchen man nicht gelangen kann.

Dieses Beispiel führt dazu, dass man anscheinend an allem zweifeln muss. In der Philosophie gibt es daher gute Gründe dafür an wirklich allem zu zweifeln. Ich muss sogar an dem Stuhl zweifeln, auf welchem ich gerade zu sitzen glaube.

Hier schließt sich einer der Punkte an, wo sich die Spannung einer impliziten Trennung der beiden besagten Klassen der Philosophie entlädt. In einem Seminar habe ich die Position des radikalen Zweiflers eingenommen. Der Dozent fragte mich, ob ich denn auch an den Bäumen vor dem Unigebäude zweifeln würde. Ich sagte: Selbstverständlich. Der Dozent musste laut lachen und setzte an mir zu erklären, dass ich aufpassen solle, dass ich denn Boden unter den Füßen nicht verliere.

Ich entgegnete Folgendes: Solange ich im Seminar bin, bin ich reiner und akadamischer Philosoph. Gute Gründe nicht an den Bäumen vor dem Unigebäude zu zweifeln habe ich nur, wenn ich das Beispiel “Gehirn im Tank” aushebeln kann. Das kann ich aber nicht, weil es keinen archimedischen Punkt geben kann.

In allen anderen Fällen zweifle ich selbstverständlich nicht an den Bäumen. Als akademischer Philosoph sind meine Mittel beschränkt auf Begriffe und Argumente. Wenn ich nur aus diesen Mitteln schöpfe, kann ich nicht die Notwendigkeit der Existenz der Bäume beweisen. Ich muss also auf Wissensanspruch verzichten und zweifeln, ob ich richtig liege.

Die Mittel, die mir als Mensch zur Verfügung stehen orientieren sich aber an anderen Zwecken. Ich will Handlungsanweisungen produzieren. Vielleicht, weil ich zum Beispiel Interesse daran habe, nach dem Seminar nicht gegen einen dieser Bäume zu fahren. Im Sinne meiner Zwecke ist Notwendigkeit nicht wichtig. Ich brauche robuste Hypothesen über die Welt um mich herum und das Einzige, was mir da zur Verfügung steht ist meine Erfahrung. Ich bin mir sicher, dass ich es in jungen Jahren ausprobiert habe, ob äußere Gegenstände existieren und mich einige Mal gestoßen. Für mich ist es rational auf diese Erfahrung zu stützen, weil es das Einzige ist, was ich habe. Was ich nicht habe, ist Zeit über jede Möglichkeit des Irrtums zu sinnieren.

G

2 Responses to “Der Unterschied zwischen akademischen und praktischem Zweifel”

  1. A

    So richtig ich dein letztliches Ergebnis bzgl. praktischer Zweifel finde, muss ich trotzdem noch etwas erwidern: Descartes geht davon aus, dass es einen bösen Dämon gibt, der seine Erkenntnis verhindert. Genauso funktioniert doch auch das Gehirn im Tank – Beispiel, nur ist hier nicht ganz so sichtbar, dass es ein tatsächlich reales, unabhängiges Wesen geben muss, welches das Gehirn in den Tank gelegt und an den Computer angeschlossen hat etc. Ebenso in dem Matrixbeispiel, in dem von einer wirklichen, real existierenden Welt der siegreichen Maschinen ausgegangen wird. Welche Gründe sprechen dafür, dass ein Dämon/solches Wesen existiert? Descartes geht sogar davon aus, dass Gott allmächtig, weise und perfekt ist. Wie kommt man dazu, überhaupt einen Gott und dann noch einen mit diesen Eigenschaften als existent zu betrachten? Die allumfassenden Zweifel folgen somit doch aus einer (nicht begründbaren) Annahme, die als wirklich wahr vorausgesetzt wird, oder? Müsste man nicht konsequenterweise dann auch an der Existenz eines solchen Wesens zweifeln und damit auch an den eigenen Zweifeln zweifeln? Formulierst du die Frage um in “Wie kann ich beweisen, dass eine Matrix nicht existiert?” endest du bei dem Problem, die Nichtexistenz von etwas beweisen zu wollen, während es für das Vorliegen dieser Existenz keinerlei Belege gibt. Ich sehe die guten Gründe irgendwie nicht, die dafür sprechen, an allem zu zweifeln.

    Antworten
    • donnerundpflicht

      Man muss nicht annehmen, dass so ein externes Subjekt (Matrix, Dämon) existiert. Es geht nur darum, dass es möglich ist. Deswegen muss man auch nicht die Existenz beweisen oder ist gar in der Beweislast. Deswegen ist auch Zweifel am eigenen Zweifel nicht notwendig. Die Beweislast der Nichtexistenz vom externen Subjekt liegt da bei dem Gegenüber, der den Zweifel ausschließen will. Ziel des ganzen kann ja nur die Gewinnung von Sicherheit sein. Man will sagen “ich weiß, dass x”, was synonym ist mit “ich bin sicher, dass x”.

      Hume kommt mit anderen Mitteln zum gleichen Ergebnis wie ich. (Induktionsproblem, Kausalitätsproblem) Das könnte noch interessant für dich sein.

      Um eines Vorweg zu nehmen: Am eigenen Zweifel zu zweifeln ist erstmal kein Problem für die skeptische Position, weil man ja immer noch am Zweifeln des Zweifelns zweifeln kann. Daran kann man auch wieder zweifeln, aber… usw. Der Zweifel hört durch den infiniten Regress nicht auf.

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